08.11.2021 - 9.11 Attraktivitätssteigerung des ÖPNV 2022+
Grunddaten
- TOP:
- Ö 9.11
- Gremium:
- Bürgerschaft (BS)
- Datum:
- Mo, 08.11.2021
- Status:
- gemischt (Sitzung abgeschlossen)
- Uhrzeit:
- 18:03
- Anlass:
- Sitzung
- Beratung:
- öffentlich
- Vorlageart:
- Beschlussvorlage der Verwaltung
- Federführend:
- 60.2 Stadtbauamt/Abteilung Stadtentwicklung/Untere Denkmalschutzbehörde
- Beschluss:
- geändert beschlossen
Wortprotokoll
Der Präsident der Bürgerschaft ruft den Tagesordnungspunkt auf.
Der Oberbürgermeister bringt die Beschlussvorlage ein.
Herr König
. bringt den Änderungsantrag (BV-V/07/0465-01-01) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ und der SPD-Fraktion ein.
. beantragt Rederecht für Herrn Umnus (Geschäftsführer der Verkehrsbetrieb Greifswald GmbH).
Herr Gabel
. bringt den Änderungsantrag (BV-V/07/0465-01-03) zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ und der SPD-Fraktion (BV-V/07/0465-01-01) ein.
Herr von Malottki
. gibt ergänzende Informationen zur Einbringung des Änderungsantrages (BV-V/07/0465-01-01) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ und der SPD-Fraktion.
Herr Liskow lässt über das Rederecht für Herrn Umnus abstimmen:
Ja-Stimmen |
Nein-Stimmen |
Enthaltungen |
mehrheitlich |
1 |
0 |
Herr Schreiber
. geht auf Punkt 3 des Änderungsantrages (BV-V/07/0465-01-01) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ und der SPD-Fraktion ein. Die Vorbereitungen des Vertreterbegehrens seien in mehrere Stufen unterteilt, wobei unter anderem das Benehmen der Rechtsaufsichtsbehörde eingeholt werden müsse. Dafür sei es Voraussetzung, dass der Stadtverwaltung eine konkrete Fragestellung sowie – sofern sie den Bürger*innen zur Verfügung gestellt werden müsse – eine entsprechende Begründung vorliege.
. weist darauf hin, dass es nach jetzigem Stand Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Vertreterbegehrens im Hinblick auf § 20 Abs. 2 Nr. 3 der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Kommunalverfassung - KV M-V) geben könnte.
Frau Görs
. fragt nach einer zeitlichen Planung, bis wann die Frage definiert sein müsse, um das Vertreterbegehren am 12.06.2022 durchführen zu können.
Herr Schreiber
. antwortet, dass es keine festgelegten Fristen gebe. Nach Beschlussfassung der Bürgerschaft werde die Universitäts- und Hansestadt Greifswald die Unterlagen umgehend an die Rechtsaufsichtsbehörde weitergeben.
Herr Umnus
. sagt, dass zur Erreichung der vorgesehenen Klimaziele das Mobilitätsverhalten von allen ein wesentlicher Bestandteil sei. Neben dem Fahrrad müsse der ÖPNV eine wesentlich stärkere Rolle im Verkehr spielen. Notwendig sei dafür, dass der ÖPNV für alle potentiellen Nutzer*innen attraktiver werde. Für einen schnellen, zuverlässigen, pünktlichen und komfortablen Hin- und Rücktransport müsse das derzeitige Angebot erweitert werden. Das Liniennetz des City-Busses in Greifswald bestehe seit 2011 nahezu unverändert. Der Kauf eines Fahrscheines müsse so einfach wie möglich gestaltet werden. Für die Liniennetzerweiterung seien zusätzliche Busse und das entsprechende Personal notwendig. Allein der Kauf oder das Leasing von drei Bio-Erdgas-Bussen verursache Kosten in Höhe von einer Million Euro. Mit der geforderten Senkung der Fahrpreise auf zwei bzw. nur noch einen Euro für die Einzelfahrt oder das Handyticket sowie die zusätzliche Kostenreduzierung des 6er-Tickets werde dem System ÖPNV Geld entzogen, welches für Investitionen dringend benötigt werde. Eine Gleichsetzung des Einzelfahrscheines mit dem Handyticket wirke sich negativ auf die Attraktivität des Handytickets aus.
Aus wirtschaftlicher Sicht hätte es in diesem Sommer bereits eine Preiserhöhung geben müssen.
Bei einer preislichen Reduzierung seien dauerhaft städtische Zuschüsse notwendig. Das 6er-Ticket solle einen Anreiz für den Vorverkauf sein, um den Kauf eines Einzeltickets und damit die Standzeit je Haltestelle zu reduzieren.
Mit der Senkung der Preise werde aus politischer Sicht ein Fahrgastzustrom erwartet. Dieser Fahrgastzustrom werde jedoch das dadurch entstehende finanzielle Defizit nicht ausgleichen können. Das Nutzerpotential wachse nicht mit der Preissenkung. Die Nutzerzahlen des ÖPNV würden nur durch eine Verbesserung des Angebotes gesteigert werden können.
Mit der Lösung des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen sei eine Nutzung des Handytickets von Mobility-inside auch in anderen Teilen Deutschlands möglich. Das Land Mecklenburg-Vorpommern beabsichtige, diese Lösung landesweit einzusetzen. Dabei sei der Verkehrsbetrieb Greifswald Teil eines Pilotprojektes, wofür EFRE-Fördermittel beantragt worden seien. Sollte dieser Antrag positiv beschieden werden, können die städtischen Haushaltsmittel gemäß Beschlussvorlage der Verwaltung auch für die Erweiterung des DFI-Netzes bzw. Investitionen in die Netzerweiterung verwendet werden.
Mit dem Projekt Handyticket-App mit Mobilitätsplattform habe sich die Verkehrsbetrieb Greifswald GmbH (VBG) bei dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) um Fördermittel aus dem Programm ÖPNV-Modellprojekte beworben. Daher sei es notwendig gewesen, das Projekt auch in die Wirtschaftsplanung der VBG aufzunehmen. Das Vorhaben sei allerdings vom BMVI nicht berücksichtigt worden.
Bei der Einführung des On-Demand-Verkehrs werde es zunächst eine Analyse des potentiellen Anbieters geben, bei der der genaue Umfang definiert werde. Weder der Verkehrsbetrieb noch die Stadtwerke Greifswald GmbH würden derzeit über entsprechende Kleinbusse verfügen. Die notwendigen Fahrzeuge sollen für den Testzeitraum von drei Jahren geleast werden. Die Kosten würden primär durch die Personalkosten bestimmt.
Überzogene Preissenkungen seien aus Sicht der Verkehrsbetrieb Greifswald GmbH nicht der Weg zum Ziel. Die VBG stehe zu 100 Prozent hinter der Beschlussvorlage der Verwaltung.
Herr Rappen
. befürwortet die Beschlussvorlage der Verwaltung.
. sieht in der Preissenkung das Risiko, die Angebotserweiterung möglicherweise nur sechs Monate aufrechterhalten zu können. Es würden dadurch langfristig gesehen millionenschwere Defizite in die Bilanz der Stadtwerke Greifswald GmbH gerissen werden. Bei den Änderungsanträgen sei die Übertragung der Million Euro an die Stadtwerke mit einem hohen Risiko verbunden. Für die zusätzlichen Defizite fehle eine Deckungsquelle.
Herr Prof. Dr. Münzenberg
. sieht in dem Änderungsantrag (BV-V/07/0465-01-01) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Fraktion DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ, SPD-Fraktion einen guten Ansatz, in dem das 1-Euro-Ticket mit der innovativen Strategie zur Nutzung der Kleinbusse verbunden werde. Die Preisunterschiede würden, aus seiner Sicht, das Konzept nicht zum Scheitern bringen.
Der Linienplan sei nicht mehr an die Bedürfnisse der Menschen angepasst. Es müssten die Zentren in der Stadt festgestellt und zwischen ihnen gerade Verbindungen geschaffen werden. Möglich sei zusätzlich ein Ringbus rund um das Stadtgebiet. Außerdem müsse die Taktfrequenz herabgesetzt werden.
Zusammengefasst müsse eine attraktive Preisstruktur und ein innovatives Konzept, welches flexible Busfahrten nach Friedrichshagen und Ladebow ermögliche, geschaffen werden.
Herr Alexander Krüger
. versteht nicht, weshalb der Verkauf eines 6er-Tickets im Bus nicht möglich sei.
. bittet um Zustimmung zum Änderungsantrag (BV-V/07/0465-01-01).
Dem Änderungsantrag (BV-V/07/0465-01-03) von Herrn Gabel und Frau Hübner könne nicht zugestimmt werden, da dieser zu große Auswirkungen hätte.
Herr Wilde
. macht darauf aufmerksam, dass es auch Busverbindungen von Greifswald in andere Städte gebe.
Bei Vergleichen mit anderen Städten müsse der räumliche Kontext berücksichtigt werden. Auf externe Faktoren könne die Verwaltung wenig bis keinen Einfluss ausüben.
Das Thema der Linienplananpassung sei bereits in Angriff genommen worden. In dieser Woche sei eine Ausschreibung erfolgt.
Herr von Malottki
. macht deutlich, dass durch das 1-Euro-Ticket keine Mehrkosten für die Stadtwerke Greifswald GmbH entständen.
. hält es ebenfalls für notwendig, die Taktfrequenz zu verändern.
. ist der Meinung, dass durch einen reduzierten Preis mehr Menschen den ÖPNV in Anspruch nehmen würden.
Herr Burmeister
. macht darauf aufmerksam, dass heutzutage individuelle Arbeitszeiten gelten, sodass ein liniengestützter Verkehr nicht praktikabel sei. Zudem würde man die Fahrradfahrenden nicht umstimmen können.
. fragt die Einbringer der Änderungsanträge, welche Vorhaben der Verwaltungsvorschläge nicht umgesetzt werden sollen, um das eigene Ansinnen der Änderungsanträge finanzieren zu können.
Frau Hübner
. sagt, dass der Zugang zu den Tickets und zum ÖPNV so niedrigschwellig und barrierearm wie möglich gehalten werden müsse. Es gebe genügend Gründe, weshalb Menschen keinen Zugang zu den App-Tickets haben könnten. Viele Menschen würden sich kaum außerhalb ihres Stadtteiles aufhalten, was durch das Angebot des ÖPNV verbessert werden könnte. Nicht jede Person könne bzw. wolle sich ein 6er-Ticket leisten, ohne zu wissen, wann er es das nächste Mal benutzen werde. Daher sei das 1-Euro-Ticket wichtig und notwendig.
Die Nutzerfreundlichkeit müsse gesteigert werden und die Menschen müssten dazu gebracht werden, den Bus als Verkehrsmittel anzunehmen. Das Wachstum des Mobilitätsverhaltens sei wichtig und müsse sich mit den Menschen entwickeln.
Herr König
. erklärt, dass die Nachfrage nach den analogen Einzelfahrscheinen momentan am höchsten sei. Diese seien im Änderungsantrag (BV-V/07/0465-01-01) von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ und der SPD-Fraktion ausgenommen und demzufolge weiterhin bei zwei Euro. Lediglich die digitalen und die 6er-Tickets sollen im Preis gesenkt werden. Daher sei es fraglich, ob das Defizit wirklich so hoch ausfallen werde.
In Radolfzell seien durch die Preissenkungen die Fahrgastzahlen gestiegen, wodurch kein Defizit sondern Mehreinnahmen erwirtschaftet werden konnten.
Herr Gabel
. geht auf die Frage von Herrn Burmeister zur Finanzierung der Änderungsanträge ein. In der bisherigen Kalkulation sei die mögliche Mehrnutzung nicht berücksichtigt worden.
Frau Dr. Schwenke
. sagt, dass eine Veränderung der Aufteilung des Verkehrsraumes notwendig sei, um Gefahrensituationen zu reduzieren. Es würden mehrere Parameter in die Steigerung der Attraktivität einfließen, wie beispielsweise der Preis, die Taktung, sowie der zeitliche Aufwand für eine Fahrt. Für eine Erprobungsphase sei ein halbes Jahr sehr knapp bemessen. Damit eine realistische Verkehrswende möglich gemacht werden könne, müsse Unterstützung von Bund und Land kommen. Zukünftig sollte man das digitale Ticket im ganzen Land nutzen können, ohne unterwegs ein neues Ticket auslösen zu müssen.
Frau von Busse
. teilt mit, dass im neuen Koalitionsvertrag nicht vorgesehen sei, dass das Land mehr Geld für den ÖPNV zur Verfügung stelle. Die Verwaltung habe geprüft, welche Maßnahmen dauerhaft umgesetzt werden könnten.
Präsident der Bürgerschaft
. lässt über den Änderungsantrag „Änderungsantrag zum "Änderungsantrag: Attraktivitätssteigerung des ÖPNV 2022+, Antrag zur Vorlage BV-V/07/0465-01", Antrag zur Vorlage BV-V/07/0465-01-01“ (BV-V/07/0465-01-03) abstimmen (siehe Abstimmung unter TOP 9.11.2).
. lässt über den Änderungsantrag „Änderungsantrag: Attraktivitätssteigerung des ÖPNV 2022+, Antrag zur Vorlage BV-V/07/0465-01“ (BV-V/07/0465-01-01) abstimmen (siehe Abstimmung unter TOP 9.11.1).
. lässt über die geänderte Beschlussvorlage abstimmen.
Auf Wunsch von einigen Mitgliedern der Bürgerschaft lässt der Präsident der Bürgerschaft über die Einlegung einer Pause abstimmen.
Es wird sich mehrheitlich dafür ausgesprochen.
Pause: 20:10 – 20:18 Uhr
Herr Khalil verlässt die Sitzung.
Beschluss:
Die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald beschließt,
- den im Haushalt eingestellten Betrag in Höhe von 1.000.000 € für folgende Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des ÖPNV einzusetzen:
a) Zur flexiblen Angebotserweiterung: Die Realisierung der Anbindung der Ortsteile Ladebow und Friedrichshagen erfolgt durch eine Flexibilisierung der Angebotskapazität.
b) Einführung eines Handytickets mit App und gegebenenfalls1 Mobilitätsplattform.
c) Zur Einführung eines attraktiven, stark vergünstigten Preismodells in Kombination mit dem digitalen Ticket und mit dem analogen 6er-Ticket. Das analoge 6er-Ticket soll auch im Bus erworben werden können und 6 Euro kosten. Der Preis der digitalen Einzelfahrscheine soll 1 Euro betragen. Analoge Einzelfahrscheine sollen zwei Euro kosten. Für KUS-Inhaber sind die bisherigen Differenzbeträge bei den 6er-Tickets beizubehalten (jedermann: -1.50 €; ermäßigt: -2.00 €). Dieses Preismodell soll zunächst in einer sechsmonatigen Testphase erprobt werden.1
- Diese Summe wird der Stadtwerke Greifswald GmbH (SWG) 2022 als zweckgebundener Zuschuss, in geeigneter Weise zur Verfügung gestellt und ist dafür einzusetzen, das sich aus 1. ergebende, zusätzliche Defizit der Verkehrsbetrieb Greifswald GmbH (VBG) zu reduzieren1.
- Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Vertreterbegehren gemäß § 20 Absatz 3 der Kommunalverfassung vorzubereiten. Dieses soll am Tag der Wahl zum Oberbürgermeister der Universitäts- und Hansestadt Greifswald am 12. Juni 2022 durchgeführt werden und die Fragen zum Gegenstand haben, ob zukünftig die Anbindung der Ortsteile Ladebow und Friedrichshagen sowie das "1-Euro-Ticket" beibehalten werden sollen. Bei einem positiven Ausgang des Vertreterbegehrens sind diese Maßnahmen fortzuführen.1
1 Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ und der SPD-Fraktion