04.12.2023 - 10.18 Schiffspatenschaft Seenotrettung

Beschluss:
abgelehnt
Reduzieren

Wortprotokoll

Der Präsident der Bürgerschaft ruft den Tagesordnungspunkt auf.

 

Herr Hochschild

. bringt die Beschlussvorlage ein.

 

Der Oberbürgermeister

. hält die Aussage für eine falsche These, dass Seenotrettung Fluchten befördere. Niemand riskiere sein Leben, nur weil er hoffe, gerettet zu werden. Sie riskieren ihr Leben, weil sie für sich und ihre Familie keine Zukunft sehen. Wenn die Seenotrettung aufgeben müsse, dann gebe es keinen Flüchtling weniger, sondern viel mehr Tote im Mittelmeer. Natürlich müsse über Migration gesprochen werden – über die Formen, den Ablauf, die Bedingungen sowie die Hintergründe. Bei der Patenschaft gehe es nicht um Flüchtlingspolitik, sondern um Menschen, die ertrinken.

. bittet um Ablehnung des Antrages.

 

Herr Oberst

. erinnert an den Beschluss der Bürgerschaft vom 20.04.2023, in dem eine Unterstützung der Sea Eye 4 von jährlich 2 TEUR festgelegt worden sei. Am 18.10.2023 habe sich eine Mehrheit der Bürgerschaft für eine Beibehaltung der Unterstützung ausgesprochen. Solch eine Patenschaft führen mittlerweile auch andere Städte und selbst der Bundestag beteilige sich. Am 13.10.2023 sei die Sea Eye 4 wieder aufgebrochen und bis zum 20.10.2023 seien 50 Menschen gerettet worden. Es gebe keine Änderung, weshalb dieser Beschluss nun zurückgenommen werden solle.

. erinnert an seinen Bericht aus einer Studie, die den Zusammenhang zwischen Rettungsaktivitäten und der Anzahl ankommender Flüchtlinge untersuche. Je weniger Aktivität, desto höher seien die Todeszahlen.

. sagt, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Beschlussvorlage ablehnen werde.

. beantragt Rederecht für die Vorsitzende der lokalen Sea-Eye-Gruppe.

 

Frau Dr. Schwenke

. rät zur Auseinandersetzung mit der Studie des Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung. Die Ergebnisse widerlegen viele Aussagen und dokumentieren zahlreiche Menschenrechtsverletzungen der lybischen Küstenwache.

. macht darauf aufmerksam, dass sowohl 2022 als auch in diesem Jahr die meisten Menschen aus Syrien, Afghanistan, Türkei, Irak, Iran und Georgien in Deutschland einen Asylantrag gestellt hätten. Konkret weise man Greifswald Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan und der Türkei zu. Es werde suggeriert, dass Menschen absichtlich illegale statt legale Wege nutzen und diese schon bei der Einreise eine Straftat begehen würden. Aber Deutschland habe die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben, die in Artikel 31 regele, dass fliehende Menschen nicht wegen ihrer Art der Einreise bestraft werden dürfen. Zur Zeit werde bei 70 Prozent der Geflüchteten ein Schutzanspruch festgestellt und demnach der Asylantrag positiv beschieden. Menschen fliehen aus ihrer Heimat wegen Krieg, politischer Verfolgung, Hunger, Krankheiten oder Katastrophen. Solange die Lebensverhältnisse in ihren Ländern katastrophal bleiben, werden sich Menschen zu jeder Zeit auf den Weg machen und ihr Leben riskieren.

Der Antrag könne nur abgelehnt werden.

 

Herr Liskow lässt über das Rederecht für die Vorsitzende der Sea-Eye-Lokalgruppe abstimmen:

 

Ja-Stimmen

Nein-Stimmen

Enthaltungen

21

19

0

 

Frau Wuschek verlässt die Sitzung der Bürgerschaft.

 

Die Vorsitzende der Sea-Eye-Lokalgruppe

. berichtet, dass Sea Eye nach schutzlosen Menschen in Seenot suche. Mit den Rettungsschiffen fülle die Organisation eine Lücke in der Seenotrettung auf dem Mittelmeer, um möglichst viele Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren. Sie seien aktiv, weil viele zuständige Behörden ihre Pflicht missachten. Die Anzahl der Menschen, die im Mittelmeer seit 2014 ertrunken seien, liege nach Angaben der internationalen Organisation für Migration mittlerweile bei über 20.000. Die Dunkelziffer müsse weitaus höher liegen. Bis November diesen Jahres seien mindestens 2.806 Menschen bei ihrer Flucht gestorben oder gelten als vermisst. Im Oktober habe die Sea Eye 4 beispielsweise 48 Menschen aus der Seenot gerettet. Dabei sei das Schlauchboot von der lybischen Küstenwache mit gefährlichen Manövern bedrängt worden, woraufhin einige Menschen in das Wasser fielen. Einige gelten bis heute als vermisst. Viele Überlebende hätten Verbrennungen erlitten, weil ihre Kleidung in Treibstoff getränkt gewesen sei und in Gemisch mit Salzwasser Kraftstoffverbrennungen entstünden.

. berichtet von weiteren Erlebnissen und Erfahrungen.

. merkt an, dass die Küstenwache den Schiffen den Hafen zuweise, was durchaus bis zu drei Tage Zeit in Anspruch nehmen könne.

. schildert die Situation in Greifswald. Die Hauptgruppe der Zuweisungen für Greifswald stamme aus Syrien, der Türkei und Afghanistan. Laut dem Amt für Asylangelegenheiten würden vorrangig Familien zugewiesen. Die größte Gruppe der Migranten in Greifswald habe als Herkunftsland Polen oder die Ukraine.

Ca. 50 Mio. Frauen und Mädchen seien weltweit auf der Flucht. Eine von fünf erlebe dabei sexualisierte Gewalt. Da es für vertriebene Menschen grundsätzlich keine sicheren Fluchtwege gebe, sei die Suche nach Sicherheit lebensgefährlich.

Die Aussage, dass Seenotrettung Fluchtverhalten fördere, sei bereits wissenschaftlich und medial wiederlegt worden.

 

Frau Prof. Dr. Tolani

. ist der Ansicht, dass das Projekt den falschen Anreiz setze und die Universitäts- und Hansestadt Greifswald dafür nicht zuständig sei. Die soeben beschriebenen Ereignisse seien sehr traurig, aber das Thema sei sehr komplex und die Lösungen müssten anderweitig - auf Europa-, Bundes- und Landesebene – gefunden werden. Insbesondere müssten die Lebensbedingungen vor Ort verbessert werden. Hier könne nicht den Ansturm aus aller Welt bewältigt werden. Es werde Steuergeld für außenpolitische Statements ausgegeben, was außerhalb des Kompetenz- und Aufgabenbereiches liege. Die Stadt müsse sich um die Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft kümmern.

 

Herr Prof Dr. Stamm-Kuhlmann

. stellt klar, dass zwischen Abschieben und Ertrinken lassen ein Unterschied bestehe. Der Bundestag habe die Kompetenz, über Seenotrettung zu entscheiden und es sei nach wie vor zu erwarten, dass eine Summe hierfür in den Bundeshaushalt eingestellt werde.

 

Herr Kramer

. ist der Meinung, dass es hierbei nicht um Migrationspolitik gehe, sondern dass mit dieser finanziellen Unterstützung vermeintlich Kriminelle unterstützt werden. Dafür sollte man sich mit den Gepflogenheiten in Italien und Griechenland auseinander setzen.

 

Herr König

. macht darauf aufmerksam, dass es scheinbar keinen Zusammenhang zwischen dem Pull-Faktor Sozialleistung und der Fluchtbewegung gebe, was sich auch statistisch wiederlegen lasse. So könnten vermutlich auch andere Pull-Faktoren nicht so überzeugend seien, wie zunächst angenommen.

. weist darauf hin, dass es viele Möglichkeiten gebe, die im städtischen Handlungsbereich lägen, um Fluchtursachen zu beheben.

 

Herr Hochschild

. sagt, dass Deutschland nicht die Probleme der Welt lösen könne. Niemand wolle, dass jemand ertrinke.

 

Herr Kramer

. beantragt namentliche Abstimmung.

 

Der Präsident der Bürgerschaft lässt namentlich über die Beschlussvorlage abstimmen.

 

Mitglied der Bürgerschaft

Fraktion

Abstimmung

Egbert Liskow

CDU

JA

Kira Wisnewski

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

NEIN

Alexander Krüger

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

NEIN

Camille Damm

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

NEIN

Dr. Tjorven Hinzke

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

NEIN

Katharina Horn

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

NEIN

Jörg König

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

NEIN

Prof. Dr. Markus Münzenberg

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

NEIN

Christoph Oberst

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

NEIN

Birgit Socher

DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ

NEIN

Robert Gabel

DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ

NEIN

Dr. Mignon Schwenke

DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ

NEIN

Rita Duschek

DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ

NEIN

Yvonne Görs

DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ

NEIN

Anja Hübner

DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ

NEIN

Daniel Seiffert

DIE LINKE und PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ

NEIN

Axel Hochschild

CDU

JA

Gerd-Martin Rappen

CDU

JA

Lutz Jesse

CDU

JA

Jürgen Liedtke

CDU

JA

Prof. Dr. Madeleine Tolani

CDU

JA

Ingo Ziola

CDU

JA

Dr. Thomas Meyer

BG/FDP/KfV

JA

Prof. Dr. Frank Hardtke

BG/FDP/KfV

JA

Heiko Jaap

BG/FDP/KfV

JA

Katja Wolter

BG/FDP/KfV

JA

Dr. Andreas Kerath

SPD

NEIN

Dr. Monique Wölk

SPD

NEIN

Ibrahim Al Najjar

SPD

NEIN

Johannes Barsch

SPD

NEIN

Prof. Dr. Thomas Stamm-Kuhlmann

SPD

NEIN

Nikolaus Kramer

AfD-Fraktion in der Greifswalder Bürgerschaft

JA

Jörg-Uwe Krüger

AfD-Fraktion in der Greifswalder Bürgerschaft

JA

Dr. Jörg Valentin

AfD-Fraktion in der Greifswalder Bürgerschaft

JA

Stephan Reuken

AfD-Fraktion in der Greifswalder Bürgerschaft

JA

Antonia Linea Huhn

Einzelmitglied

NEIN

Thomas Kerl

Einzelmitglied

JA

Gamal Khalil

Einzelmitglied

JA

Christian Kruse

Einzelmitglied

JA

 

Reduzieren

Beschluss:

 

Die Bürgerschaft beauftragt den Oberbürgermeister, die Schiffspatenschaft für die SEA-EYE 4 unverzüglich einzustellen und folgt damit der kritischen Haltung des Bundeskanzlers Olaf Scholz zur Problematik der Seenotrettung im Mittelmeer.

 

Reduzieren

Abstimmungsergebnis:

 

Ja-Stimmen

Nein-Stimmen

Enthaltungen

18

21

0

 

Online-Version dieser Seite: https://greifswald.sitzung-mv.de/public/to020?SILFDNR=1001377&TOLFDNR=1020115&selfaction=print