08.04.2024 - 8 Aktuelle Stunde zum Thema: "Hintergründe zur Ku...

Reduzieren

Wortprotokoll

Der Präsident der Bürgerschaft ruft den Tagesordnungspunkt auf.

 

Herr Hochschild

. macht deutlich, dass die CDU-Fraktion jegliche Form von Gewalt und Übergriffe auf Personen verurteile. Dies treffe ebenfalls auf einen Überfall auf eine Greifswalder Familie am 17.11.2023 zu. Dieser Vorfall müsse endgültig aufgeklärt und entsprechend geahndet werden. Bisher seien die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.

. geht auf die Kleine Anfrage „Angriff auf eine deutsch-syrische Familie“ (KA/07/0203) der CDU-Fraktion sowie deren Beantwortung ein und schildert den Ablauf des Bekanntwerdens des Vorfalls in der Stadtverwaltung.

. kritisiert, dass die Stadtverwaltung über diesbezügliche Öffentlichkeitsarbeit nachgedacht habe, ohne die Hintergründe vollständig geprüft zu haben. Am 27.11.2023 habe die Polizei die Stadtverwaltung darüber informiert, dass aus der Strafanzeige kein ausländerfeindliches Motiv herauszulesen sei.

Die Familie habe sich gegen mediales Aufsehen ausgesprochen. Dennoch habe sich die Verwaltung am 09.01.2024 in einer Pressemitteilung auf diesen Vorfall bezogen, welcher anschließend ebenfalls in die Berichterstattung der Ostsee-Zeitung am 11.01.2024 eingeflossen sei. Auch die Universität Greifswald habe der Bitte der Familie laut Zeitungsartikel nicht entsprochen.

In der genannten Kleinen Anfrage habe die CDU-Fraktion außerdem nach dem Zeitpunkt der Aufnahme von Staatsschutzermittlungen gefragt. Den Beginn dieser konnte die Verwaltung in ihrer Beantwortung nicht bestätigen.

Die Fraktion habe sich die Frage gestellt, wie stark Rassismus und damit verbundene Straftaten in Greifswald ausgeprägt seien, wenn die Universität und die Stadt zu Demonstrationen aufriefen.

. merkt an, dass Flyer und Plakate verteilt worden seien, die als Initiatoren die Greifswalder Bürgerschaft ausweisen, ohne, dass diesbezüglich seitens der Bürgerschaft ein Beschluss gefasst worden sei.

Um mehr Informationen zu dieser Thematik zu erhalten, habe die CDU-Fraktion Kontakt mit dem Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern (LKA) aufgenommen, welches mitteilte, dass es 2020 keinen und 2021 und 2022 jeweils nur einen relevanten Vorfall gegeben habe. Von außen betrachtet, werde Greifswald jedoch in ein rassistisches Licht gerückt, welches der Realität nicht entspreche.

. erinnert in diesem Zusammenhang an die Debatte zum damaligen Namenspatron der Universität, Ernst Moritz Arndt. Arndt habe als Kämpfer gegen die Leibeigenschaft Geschichte geschrieben und sei wegen umstrittener Position gegenüber Franzosen und Antisemitismus aus dem Namen der Universität gestrichen worden. Vertreter der Universität hätten eine Kampagne initiiert, durch die sich viele Greifswalder diskreditiert gefühlt hätten.

. stellt die Frage in den Raum, was real und was medial inszeniert sei.

. geht auf eine Einschätzung des Oberbürgermeisters zur Situation von Integration und Migration in dieser Stadt ein. In einem Zeitungsartikel der Ostsee-Zeitung werde der Oberbürgermeister wiedergegeben, in dem er sage, dass die Sicherheit oftmals die Debatte zu diesem Thema bestimme, es jedoch keine Belege dafür gebe, dass diese sich verschlechtert hätte. Die Ostsee-Zeitung wies daraufhin auf Daten der Polizei hin. In 2015 habe es 220 strafbare Fälle gegeben, während es 2022 356 Straftaten gegeben habe. Für 2023 sei die Polizei von einer zunehmenden Anzahl an Fällen ausgegangen. Die Ausblendung dieser Entwicklung und das Konstruieren rechter Feindbilder fördere weder Toleranz, noch erfolgreiche Integration oder Demokratieverständnis. Es bestärke lediglich die Spaltung der Gesellschaft.

 

Frau Horn

. macht darauf aufmerksam, dass es rassistische Übergriffe gebe, die ein Fall für Polizei und Staatsanwaltschaft seien und dementsprechend auch in den Statistiken registriert werden. Außerdem gebe es Vorfälle, die die Gesellschaft insgesamt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt betreffen und in denen die Gesellschaft gefragt sei, einzuschreiten, solidarisch zu sein oder den betroffenen Menschen den Rücken zu stärken.

. berichtet, dass in einer Sitzung des Ausschusses für Soziales, Jugend, Sport, Inklusion, Integration, Gleichstellung und Wohnen rassistische Übergriffe geschildert worden seien.

 

Frau Socher

. zitiert aus einem Lagebericht der Bundesregierung zum Thema „Rassismus“.

. nennt im Zusammenhang mit diesem Thema einige Zahlen:

  • 90 Prozent der Gesamtbevölkerung erkennen an, dass es Rassismus in Deutschland gebe.
  • 61 Prozent meinen, dass Rassismus den Alltag präge.
  • Zwei Drittel seien direkt oder indirekt mit Rassismus in Berührung gekommen.
  • Mehr als 22 Prozent der Gesamtbevölkerung hätten ihn selbst erfahren.

Rassismus sei in der Wahrnehmung einer klaren Mehrheit der Bevölkerung kein Randproblem, welches nur eine kleine Gruppe betreffe, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem. Lange Zeit habe dieses Thema keine ausreichende Aufmerksamkeit bekommen. Aufgrund von entscheidenden Ereignissen und Anschlägen sei das Thema zunehmend in den Fokus von Debatten gekommen.

. nennt einige Beispiele in den Bereichen Schule, Politik und Sport.

 

Herr Al Najjar

. geht auf den Redebeitrag von Herrn Hochschild ein und erinnert daran, wie oft beispielsweise das Islamische Kulturzentrum in Greifswald in der Vergangenheit bereits angegriffen worden sei. Rassismus in Deutschland sei kein Relikt der Vergangenheit sondern leider noch immer Realität. Trotz der Fortschritte in der Gesellschaft sei Rassismus noch immer weit verbreitet und manifestiere sich oft subtil im täglichen Leben. Jeden Tag werden Menschen mit Migrationshintergrund und anderer Minderheiten diskriminiert und deformiert aufgrund ihrer Hautfarbe, Kultur, Religion oder ihrer Sprache/Aussprache. Rassismus müsse bekämpft werden. Alle Menschen seien frei und gleich geboren. Rassismus sei ein Eingriff in die Grundidee der Menschenrechte und in das friedliche Zusammenleben. Bildung, Sensibilisierung und Empathie seien der Schlüssel, um eine inklusive und gerechtere Gesellschaft aufzubauen.

. bittet darum, gemeinsam daran zu arbeiten, in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald Alltagsrassismus zu bekämpfen und für die nachfolgenden Generationen eine Welt zu schaffen, in der Vielfalt und Gleichberechtigung die Normen seien.

 

Herr Burmeister nimmt an der Sitzung der Bürgerschaft teil.

 

Frau Dr. Schwenke

. sagt, dass die Frage, ob es Rassismus in Greifswald gebe, ganz leicht beantwortet werden könne.

. bezieht sich hierbei auf eine vergangene Sitzung des Ausschusses für Soziales, Jugend, Sport, Inklusion, Integration, Gleichstellung und Wohnen, in der eine Vertreterin des Migrantenbeirates dargelegt habe, dass es kaum einen Migranten gebe, der keinen Rassismus erlebt habe.

Auch die Vertreterin selbst habe dies von sich gesagt. Dabei erfülle sie alles, was die Mehrheitsgesellschaft von ihr erwarte: sie gehe arbeiten, bezahle Steuern, die Kinder gehen in die Schule und sie spreche hervorragend deutsch.

Die Menschen leben hier und hätten ein Recht, ordentlich behandelt zu werden.

 

Frau Wuschek

. geht ebenso wie Herr Hochschild auf den Angriff auf die Greifswalder Familie ein und wiederholt, dass am 27.11.2023 die Polizei mitgeteilt habe, dass aus der Strafanzeige heraus kein ausländerfeindliches Motiv herauszulesen sei.

Dennoch sei dieser Vorfall genutzt worden, um zu Demonstrationen aufzurufen.

. nennt einige Vorfälle, bei denen aus ihrer Sicht die Solidarität gefehlt habe.

. wünsche sich Solidaritätsbekundungen gegenüber allen Bürgern, die Angriffen ausgesetzt seien.

Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen sei von 8,6 Prozent (2013) auf 20,5 Prozent (2022) gestiegen.

. ruft dazu auf, über wirkliche Fakten, Solidarität und Gleichbehandlung allen Bürgern gegenüber zu sprechen und sich gegen jede Form von Rassismus und Extremismus zu stellen.

 

Frau Prof. Dr. Tolani

. hebt hervor, dass es hier um Greifswald darum gehe, einen guten Ruf zu bewahren. Dabei müsse eine Balance zwischen Alarmismus und einem guten Ruf gehalten werden.

. warnt davor, Vorverurteilungen zu tätigen, bevor die Ermittlungen der zuständigen Behörden vollständig abgeschlossen seien. Es solle nichts beschönigt, aber auch nichts dramatisiert werden. Der hervorragende Ruf der Stadt sollte nicht beschädigt werden.

 

Herr Kerl

. kündigt an, demnächst ein Video zu veröffentlichen, in dem Migranten ohne vorherige Information befragt werden. Niemand habe von rassistischen Übergriffen berichtet.

. gibt Frau Socher recht, dass Rassismus nicht in das 21. Jahrhundert gehöre und etwas dagegen unternommen werden müsse.

Aus seiner Sicht sei Remigration das Mittel, um Rassismus einzudämmen.

 

Frau Hübner

. stellt fest, dass allein in der heutigen Sitzung der Bürgerschaft mehrfach festgestellt worden sei, dass es in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald Rassismus gebe.

 

Herr Dr. Kerath

. teilt einige Informationen zu dem Angriff auf die Familie in Greifswald mit, die aus den Pressemitteilungen des Ministeriums für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern zu entnehmen seien: Beide Tatverdächtige hätten die deutsche Staatsbürgerschaft und der Anfangsverdacht für ein fremdenfeindliches Tätermotiv bestehe. Die Ermittlungen dauern weiter an.

 

Herr Alexander Krüger

. sagt, dass Rassismus viele Gesichter habe und sich auf unterschiedliche Art und Weise äußere.

. ist der Meinung, dass jeder Straftat in Deutschland nachgegangen werden sollte, unabhängig davon, wer sie begehe. Jeder Mensch sollte sich dort, wo er sich aufhält, benehmen, wohlfühlen und vernünftig leben können. Wenn dies nicht möglich sei, verlagere er seinen Aufenthaltsort.

Auf dem Arbeitsmarkt gebe es kaum Fachkräfte und daher sollte alles dafür getan werden, dass das Personal, welches zur Verfügung stehen könnte, integriert und damit die Berufe ausüben könne.

 

Der Oberbürgermeister

. geht auf unterschiedliche Kritiken ein:

Eine Pressemitteilung und eine Videobotschaft habe er weder geschrieben noch veröffentlicht. Der Besuch bei der betroffenen Familie sei ein Solidaritätsbesuch gewesen, für welchen er die Kritik nicht nachvollziehen könne. Die Kundgebung der Universität Ende Januar 2024 sei keine Veranstaltung der Universität und der Stadt gewesen, sondern die Kundgebung sei von der Rektorin der Universität Greifswald initiiert und von einem breiten Bündnis von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen getragen. Die Planungen zu dieser Kundgebung hätten weit vor dem Übergriff auf die Familie stattgefunden. Die Verteilung von Flyern in einer Schule sei von der Schulleiterin in Absprache mit dem Kollegium und dem Schulelternrat veranlasst worden.

Es gehe nicht darum, dass jedes Mal ein brutaler strafrechtlich zu ahnender Vorfall dahinter stehe. Es gehe um Alltagserfahrungen zu Rassismus, die Menschen offensichtlich erleben.

. stellt die Frage in den Raum, warum dies nicht der Wahrheit entsprechen sollte.

. stimmt Herrn Hochschild zu, dass sich Rassismus negativ auf die Stadt ausübe. Aus diesem Grund seien viele Wissenschaftsinstitute bei der Kampagne dabei. Wissenschaft lebe vom Austausch, Wissenschaftlern, die aus anderen Ländern zu uns kämen, manchmal eine andere Hautfarbe hätten und sich hier wohlfühlen wollen. Ökonomisch sei es eine Katastrophe für eine Stadt, wenn es rassistische Überfälle gebe. Daher sei es so wichtig, wenn man sich gemeinsam dagegen wehre.

. zitiert aus einer aktuellen Rückmeldung der Polizei hinsichtlich der Ermittlungen zu dem Überfall auf die Familie.

 

Frau Wuschek hat die Sitzung verlassen.