Beschlussvorlage der Verwaltung - 05/456

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

1. Die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald beauftragt den Oberbürgermeister die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen zu prüfen und darzustellen, die sich aus einer weiteren Ausübung der nachfolgend aufgezählten Aufgaben statt in dem neuen Landkreis in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald ergeben:

 

  1. Beibehaltung der Tätigkeit als örtlicher Träger der Jugendhilfe
  2. Beibehaltung der Schulträgerschaft für die Gymnasien und die Gesamtschule
  3. Beibehaltung der Zuständigkeit für den öffentlichen Personennahverkehr
  4. Beibehaltung der Zuständigkeit für die Abfallwirtschaft
  5. Durchführung von kreislichen Aufgaben mit Bürgerkontakt für den neuen Landkreis in dem Gebiet der Universitäts- und Hansestadt Greifswald und des Amtes Landhagen

 

Abstimmungsergebnis: mehrheitlich bei 2 Stimmenthaltungen beschlossen

 

 

2. Die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald beauftragt den Oberbürgermeister, zeitnah eine Vereinbarung mit den Landkreisen Ostvorpommern und Uecker-Randow sowie Demmin zu schließen, die eine Übernahme der Verträge, die die Universitäts- und Hansestadt Greifswald mit Dritten für die Gewährleistung des öffentlichen Rettungsdienstes sowie der öffentlichen Abfallentsorgung geschlossen hat, durch den neuen Landkreis Südvorpommern vorsieht.

 

Abstimmungsergebnis: bei 19 Ja-Stimmen, 7 Gegegnstimmen und einigen Stimm-

    enthaltungen beschlossen

 

 

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Sachdarstellung

 

zu 1.:

Die ausgewählten Themenfelder, denen sich der Oberbürgermeister zeitnah annehmen möchte, sind politisch besonders sensible Bereiche, für die eine gesteigerte öffentliche Aufmerksamkeit besteht. Gerade in den Schulen und im Jugendbereich sollte zeitnah Klarheit hergestellt werden, ob ein Verbleib in Greifswald gewünscht wird.

Dieser Arbeitsauftrag an den Oberbürgermeister macht auch weder die Arbeit des Sonderausschusses noch jene des dort gebildeten Arbeitskreises obsolet, weil eine Vielzahl von Verwaltungsaufgaben übergehen sollen, für die eine Einzelbetrachtung erforderlich bleibt. Eine vorweggenommene Entscheidung ist nur für die fünf genannten Themen geboten, weil sie breite öffentliche Aufmerksamkeit genießen.

Zur bisher geäußerten Kritik an bereits jetzt zu schließenden Verträgen über den Verbleib von künftigen Kreisaufgaben bei der Universitäts- und Hansestadt Greifswald eine knappe Replik:

a) Es wurde eine Verhandlung erst mit dem neuen Landkreis gefordert. Nur dieser sei Herr seiner eigenen Dinge, niemand anderes, v.a. nicht vorher.

Dies würde bei realistischer Einschätzung zu einer Verhandlung ab Frühjahr oder Sommer 2012 führen. Die neuen Strukturen des neuen Landkreises werden einige Zeit benötigen, um sich formell und informell „neu zu finden bzw. zu organisieren“. Es werden ab September 2011 zunächst dermaßen existenzielle Fragen den neuen Landkreis bewegen, dass nicht ernsthaft mit einer kurzfristigen Verhandlung über Greifswalds Einzelbelange gerechnet werden darf.

Vertragsseitig lässt sich die fehlende Verhandlungsvollmacht aller jetzt bestehenden Rechtsträger zu Gunsten des neuen Landkreises über Kündigungsklauseln, Bedingungen etc. regeln und so sicherstellen, dass der neue Landkreis ein Ausstiegsrecht behält und solche Verträge nur Inkrafttreten, wenn die Kreisgebietsreform nicht vom Landesverfassungsgericht kassiert wird.

Rein tatsächlich darf zudem davon ausgegangen werden, dass ein solches Abwarten gegen frühe Verhandlungen eine Entscheidung gegen die Rückholung all dieser Aufgaben ist. Wenn erst einmal ein Aufgabenübergang im September 2011 stattgefunden hat und sich nach ca. einem Jahr die geänderten Strukturen gerade gesetzt und verfestigt haben, wird ein „Salto Rückwärts“ kaum noch geschehen. Die Macht des Faktischen wird dann den endgültigen Aufgabenübergang nach sich ziehen.

b) Die fehlende Gewissheit über die künftige Haushaltssituation in Greifswald hätte in den letzten 15 Jahren nahezu keine politische Entscheidung erlaubt. In nicht wenigen Haushaltsjahren wurden „Katastrophenjahre“ vorbereitet, die dann mit einem erfreulichen Haushalts„überschuss“ endeten. Die Vielzahl von Unbekannten macht den Haushalt in der Regel schwer kalkulierbar. Allein die fehlende Beschlussfassung über das künftige Finanzausgleichsgesetz (FAG) des Landes kann als Argument gegen vorausschauende und strategische Entscheidungen in Greifswalds Kommunalpolitik kaum dienen. Im Übrigen ist Greifswalds Haushalt auch im Zuge der letzten FAG-Novelle mit erheblichen Ungewissheiten aufgestellt worden.

Künftig wird zudem die Haushaltsgewissheit weiter abnehmen, weil die Kreisumlage durch die Haushaltssatzung des neuen Landkreises verändert werden kann, so dass eine absolute Planbarkeit der Greifswalder Finanzen schwierig(er) wird, aber auch bisher erheblichen Unsicherheiten und Risiken unterlag, die die kommunale Politik nie am Handeln gehindert haben.

c) Es wurde die fehlende Verbindlichkeit wegen der zwingend zu berücksichtigenden Kündigungsmöglichkeiten des neuen Landkreises/Kreistages angeführt.

Angesichts der anzunehmenden erheblichen Identität der politisch Handelnden im künftigen neuen Kreistag mit den heute in den Landkreisen politisch Aktiven, ist die Gefahr einer Kündigung eher eine theoretische.

Wenn sich politische Seite und Verwaltung der heute Beteiligten einig werden, wird dies von den weitgehend identischen Verwaltungsaktiven im neuen Landkreis weiterhin verfolgt werden. Gleiches gilt für die in erheblicher Zahl identischen Kreistagsmitglieder. Keiner wird ernsthaft annehmen wollen, dass sich die Parteien und Wählerinitiativen ihre Kandidatinnen und Kandidaten komplett „neu schnitzen“ und die bisher Aktiven allesamt aus der aktiven politischen Tätigkeit ausscheiden wollen.

Zudem sei auf die nachdrücklichen Empfehlungen aus dem Innenministerium und seitens des Städte- und Gemeindetages verwiesen, die eine unverzügliche vertragliche Einigung vor September 2011 dringend anraten.

Selbst wenn ein geschlossener Vertrag jedoch durch den künftigen neuen Kreistag gekündigt würde, gilt der alte Satz: Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.

d) Die Gegner rascher Verhandlungen verweisen zudem auf die Belange des Personals. Wenn die Aufgabenrückholung jetzt vereinbart werde, dann aber dieser Vertrag vom neuen Kreistag gekündigt würde, stünden die Beschäftigten vor einem Dilemma. Das Personal der rückgeholten Bereiche sei nicht kraft Landesgesetzes mit Wirksamwerden der Kreisgebietsreform übergegangen. Zugleich verliere die Universitäts- und Hansestadt Greifswald aufgrund der Kündigung eines geschlossenen Vertrages durch den neuen Kreistag die Aufgabe aber gleichwohl. Sie habe dann Personal, aber keine Aufgabe. Der Landkreise habe die Aufgabe, aber nicht das Personal.

Zum einen wird es dem Geschick der Verhandlungen unterliegen, ob für einen solchen Kündigungsfall durch den neuen Kreistag vertragliche Regelungen getroffen werden, die die Übernahme des Personals zumindest ermöglichen.

Zum anderen ist nicht erkennbar, welchen nachhaltigen Vorteil der alternative Weg für die Beschäftigten hätte. Wenn die Aufgabe – und damit das Personal (!) – zunächst auf den neuen Kreis übergeht und dann später die Aufgabe an die Universitäts- und Hansestadt zurückübertragen würde, wäre die Aufgabe hier, das Personal aber kraft Überganges beim Kreis. Die Situation der Beschäftigen wäre damit nur unbedeutend komfortabler, weil kraft Landesrecht ein zeitlich befristeter Kündigungsschutz beim neuen Landkreis besteht. Die Situation bleibt aber faktisch die Gleiche. Kleiner, aber erheblicher Unterschied: Die Hängepartie der Beschäftigten dauert nicht wenige Monate nach dem September 2011 an, bis die Kündigungsmöglichkeit des neuen Kreistages aus einem bereits jetzt geschlossenen Vertrag ausläuft, sondern die Gefahr einer Aufgabenrückübertragung vom Kreis auf die Hansestadt bleibt bis 30.9.2012 erhalten. Der Zeitraum wird also nervenzehrend verlängert.

zu 2.:

Der Bereich der Abfallentsorgung sollte auf die Möglichkeit einer Aufgabenrückholung geprüft werden. Aufgrund des zunehmenden Zeitablaufes ist jedoch für diesen Bereich sowie den öffentlichen Rettungsdienst Eile hinsichtlich der durch die Universitäts- und Hansestadt Greifswald geschlossenen Verträge geboten. Da hier Greifswalder Unternehmen/Vereine und hiesige Arbeitsplätze berührt werden, ist kurzfristiges Handeln geboten.

Greifswald ist für den öffentlichen Rettungsdienst ebenso zuständig wie für die (öffentliche) Abfallentsorgung (v.a. des Hausmülls). Diese Aufgaben sind an Dritte vergeben worden.

Ab dem 05.09.2011 droht diese Aufgabe verloren zu gehen. Dann hat Greifswald zwar einen Vertragspartner, der diese Leistung erbringen muss, aber keine Aufgabe mehr. Der Vertragspartner kann/darf dann nicht tätig werden. Der künftige Landkreis wird dann diese Aufgabe haben, hat aber keinen ausführenden Vertragspartner und auch keine eigenen Ressourcen, diese Aufgabe auszuführen.

Da bei kreisfreien Städten mit den Aufgaben nicht auch die Verträge „automatisch“ auf den neuen Landkreis übergehen, sondern dies durch Verträge zwischen kreisfreier Stadt und neuem Landkreis geregelt werden soll, bedarf es jetzt einer schnellen Regelung, damit im September Rechtssicherheit für alle Beteiligten besteht. Dies gilt insbesondere für die beauftragten Dritten, die andernfalls bereits jetzt in der Not sein dürften, sich nach neuen Vertragspartnern ab September umzusehen oder in Größenordnungen Entlassungen vorzunehmen.

 

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Beschlüsse

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31.01.2011 - Hauptausschuss (HA)

Erweitern

21.02.2011 - Bürgerschaft (BS) - Einzelabstimmung