Beschlussvorlage der Verwaltung - 05/775

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Die Bürgerschaft beschließt die anliegenden Leitlinien zum wirtschaftlichen Bauen.

 

1. Sie verbindet damit das Ziel, durch die Berücksichtigung von Lebenszykluskosten bereits in der Planungsphase die zukünftigen jährlichen Gesamtkosten über den gesamten Betrachtungszeitraumes eines Gebäudes zu minimieren. Die Leitlinien gelten für alle Neubau- und Sanierungsvorhaben von öffentlichen Gebäuden der Stadtverwaltung und kommunaler Einrichtungen. Als Mindestmaß der Bauqualität wird das Gütesiegel der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) in Silber angestrebt. Über eine Zertifizierung kann im Einzelfall entschieden werden.

Bei unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden kann, nach Prüfung im Einzelfall, von der Richtlinie abgewichen werden, wenn die vorgesehen Maßnahmen den Zielen des Denkmalschutzes widersprechen.


2. Die Richtlinie ist schrittweise umzusetzen. Zunächst sollte ein Musterbauvorhaben ausgewählt werden, bei dem die Hochbauabteilung unter Begleitung eines zugelassenen DGNB-Auditors in die Anwendung der Richtlinie eingeführt wird.

 

3. Zu dem Pilotvorhaben ist ein Bericht zu erstellen, der zugleich praktische Empfehlungen für die weiter Anwendung und gegebenenfalls Novellierung der Richtlinie enthält.

 

4. Die Richtlinie ist bei Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, spätestens aber 5 Jahre nach Ihrer Einführung, zu überarbeiten.

 

5. Nach Durchsetzung der Richtlinie zum Standard bei allen öffentlichen Bauvorhaben ist der Punkt 4 des Beschlusses B600-42/09, Energieeffizienz in neuen Baugebieten und bei städtischen Bauvorhaben, aufzuheben.

 

6. Es ist eine zusätzliche Planstelle durch interne Umsetzung in der Verwaltung in der Abteilung Hochbau zu schaffen, die sich mit der Einführung und Koordinierung einschließlich Fördermitteleinwerbung befasst.

 

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Sachdarstellung

Mit den steigenden Energie- und Rohstoffpreisen und damit steigenden Bewirtschaftungskosten wird nachhaltiges Bauen zu einem immer wichtigeren Aspekt für wirtschaftliches Bauen.

 

 

Grafik: Entwicklung des Rohstoffpreisindexes, McKinsey Global Institute,

aus „Resource Revolution: Meeting the world’s energy, materials, food, and water needs“


Mit jeder Baumaßnahme werden für die nächsten 40 und mehr Jahre die Kriterien für die Qualität des Bauvorhabens in vielerlei Hinsicht festgelegt.

Diese Kriterien sind unter anderen die Ansprüche an

-          die künftige Raumluftqualität mit der Vermeidung der Gefährdung der Gesundheit der Nutzer und dem eventuellen Lüftungsbedarf

-          die Dauerhaftigkeit der eingesetzten Baumaterialien und die entsprechend notwendigen Sanierungszyklen

-          den Energiebedarf bei Warmwasser und Heizung mit den entsprechenden Verbrauchskosten

-          die Möglichkeit der Umnutzung eines Gebäudes und Kosten für eventuelle Umbaumaßnahmen

-          die Möglichkeit der Wiederverwertung der Baumaterialien und damit verbundenen eventuellen Entsorgungskosten.

 

Mit einer ganzheitlichen Betrachtung von Einzelanforderungen in den ökologischen, ökonomischen, sozialen und technischen Qualitäten des öffentlichen Bauens wird Greifswald den in Bürgerschaftsbeschlüssen und im Leitbild der Stadt festgelegten Zielen einer klimafreundlichen und gesunden Stadt gerecht. Zugleich werden die im  § 2 Abs. 2 Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz Mecklenburg-Vorpommern genannten Anforderungen bei der Vergabe von Bauleistungen und der Beschaffung erfüllt.

 

Nachhaltiges Bauen ist immer auch wirtschaftliches Bauen. Dieser Grundsatz wird umgesetzt mit dem Anspruch einer lebenszyklusorientierten Planung und Umsetzung. Das bauliche Optimierungsziel besteht aus der Optimierung von Investitionskosten und der Betriebskosten. Beide stehen in einem direkten engen Zusammenhang. Notwendige höhere Investitionskosten sollen sich unter anderem über niedrigere Betriebskosten begründen. Dies ist Gegenstand einer Lebenszykluskostenrechnung.

Grafik: Energieagentur in Mecklenburg-Vorpommern GmbH, aus „Klimaschutz & Energie-Effizienz“

 

Der Leitfaden stützt sich auf die Kriterien, die von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) im Rahmen des Zertifizierungssystems Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen formuliert wurden. Der Leitfaden nimmt Bezug auf das DGNB-Gütesiegel und stellt in Anlehnung an dieses Themenfelder und Kriteriengruppen des nachhaltigen Bauens vor. Als anzustrebender Maßstab für eine Bauqualität bei Greifswalder Bauvorhaben wird das DGNB-Gütesiegel in Silber gesetzt. Ein Bauvorhaben ist von der Planung bis zur Fertigstellung durchgängig an diesen Kriterien zu messen, über eine Zertifizierung selbst kann im Einzelfall entschieden werden. Dabei ist es für eine Erfüllung der Bedingungen des Gütesiegels Silber nicht notwendig, jedes der im Leitfaden angegebenen Kriterien mit höchstem Anspruch zu erfüllen. Das Gütesiegel in Gold ist bislang nur bei wenigen Bundesbauten umgesetzt worden und wird daher auch in Greifswald höchstens nur im Einzelfalle angestrebt. Der Bronze-Status hebt sich von der momentan gesetzeskonformen Ausführung kaum ab und führt nicht zu den angestrebten Einsparungen in der Nutzungsphase des Gebäudes.

 

Die nachfolgend vorgelegten Leitlinien zum Nachhaltigen Bauen befassen sich im Wesentlichen mit dem Hochbau. Eine Ausdehnung der Leitlinien für den Tiefbau kann separat erfolgen.

 

Der Leitfaden befasst sich mit:

-Notwendige Planungs- und Umsetzungsinstrumente

- Anforderungen an den Hochbau, Übernahme von Umweltzielen

-Anforderungen an die Gebäudetechnik, Übernahme von Umweltzielen

 

Im Anhang des Leitfadens gibt es praktische Beispiele für seine Anwendung und Formulare, die als Hilfen für Ausschreibungen genutzt werden können.

 

Die Berücksichtigung der im Leitfaden genannten Kriterien bringt sowohl dem Bauherren, dem Ausschreibenden wie auch dem späteren Nutzer ein hohes Maß an Qualität, ein hohes Maß an Sicherheit bei der Ausschreibung und beim Umgang mit den Ausführenden.

 

Mit der Festlegung dieser Leitlinien wird damit als Umweltziel nicht mehr wie bisher ausschließlich auf die Energieeffizienz (Beschlusslage der Bürgerschaft: jeweilige ENEV minus 30%), sondern auch auf die Kriterien Lebenszykluskosten, Schutz der Gesundheit der Nutzer und der Umwelt abgestellt. Darüber hinaus bereitet sich Greifswald mit der Einführung der Richtlinie schon auf die zu erwartenden gesetzlichen Veränderungen bei der Energieeffizienz vor:

2012 - geplant: Energieeinsparverordnung EnEV 2012

2015 - Passivhausstandard (15 kWh/m²a)

2018 - EU-Forderung „Near Zero – Standard“ < Passivhaus

 

Die Umsetzung dieses Beschlusses erfordert damit seitens der Hochbauabteilung mehr Aufwand in der Planung und in der Bauausführung und entsprechend qualifiziertes Personal, was bei der Stellenbemessung und Stellenbewertung zu berücksichtigen ist. Insofern wird die komplette Umsetzung dieses Beschlusses von der Bereitstellung entsprechenden Personals abhängen.

 

Die Einführung des Leitfadens sollte mit der Umsetzung eines konkreten Bauvorhabens verbunden werden, möglich wäre dies ggf. in Teilbereichen z.B. für die Käthe-Kollwitz-Schule. Unter Begleitung des Baus durch Experten kann die Hochbauabteilung die praktische Umsetzung der Richtlinie anwenden und Erfahrungen für zukünftige Bauvorhaben in eigener Regie sammeln.

 

Ein erhöhter finanzieller Aufwand ist insbesondere bei den Baunebenkosten (erhöhter Planungsaufwand) zu erwarten. Wenn die an das Bauvorhaben geknüpften Bedingungen zur Ausführung rechtzeitig festgelegt und geplant werden ist der Mehraufwand für den Silber-Standard bei der Baukonstruktion und den technischen Anlagen gegenüber einem Standardbau nur gering. Bei einer lebenszyklusorientierten Planung (Betrachtung von Investitions-, Bewirtschaftungskosten, Sanierungskosten etc.) erweist sich die notwendige Mehrinvestition als wirtschaftlich. Die berechneten Bewirtschaftungskosten liegen bei entsprechend Gütesiegel Silber gebauten Gebäuden um 20 bis 25 % unter denen vergleichbarer Standardgebäude.

 

Die Stadt Frankfurt am Main hat bei Neubauten den Passivhausstandard festgelegt und hat auf Nachfrage mitgeteilt, dass die Investitionskosten 5-7% über vergleichbare Neubaukosten liegen. In Lübtheen ist die erste Schule in Plattenbauweise im Passivhausstandard saniert worden. Die Sanierungskosten lagen um 20-25% über vergleichbaren sonstigen Sanierungskosten. Es gab aber eine Förderung von 80%. Gebäude in Passivhausbauweise haben aber auch einen um mindestens 80% niedrigeren Energieverbrauch als vergleichbare, entsprechend dem gesetzlich zulässigen Standard errichtete Gebäude.

 

Auf Basis der in den nächsten Jahren mit der Richtlinie gemachten Erfahrungen und den bis dahin zu erwartenden gesetzlichen Neuregelungen ist die Richtlinie in spätestens 5 Jahren zu überarbeiten.

 

Der Punkt 4 des Beschlusses B600-42/09, Energieeffizienz in neuen Baugebieten und bei städtischen Bauvorhaben, erübrigt sich nach Durchsetzung der Richtlinie. Eine hohe Energieeffizienz ist ohnehin notwendig, um den dem Gütesiegel Silber zugrundeliegenden Standard zu erreichen. Zugleich bietet die Richtlinie aber auch Möglichkeiten, durch höhere Standards bei Aspekten der Recyclingfähigkeit von

Materialien, bei der Nutzungsvielfalt, sozialen oder ökologischen Gesichtspunkten, niedrigere energetische Qualitäten auszugleichen. Insofern bietet die Richtlinie eine höhere Flexibilität als der Punkt 4 des Beschlusses B600-42/09.

 

Die Verwaltung bemüht sich um Fördermittel aus der Klimaschutzinitiative der Bundesregierung zur Förderung einer Planstelle in der Hochbauabteilung. Dadurch kann die Umsetzung der im Klimaschutzkonzept Greifswald beschriebenen Maßnahmen zur CO2-Minderung bei Gebäuden personell unterstützt werden. Der in der Einführungsphase der Richtlinie notwendige personelle Mehraufwand könnte bei Bewilligung des Antrages über einen Zeitraum von 3 Jahren mit einer Förderung von 65% der Personalkosten abgedeckt werden.

 

 

 

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Anlagen

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Beschlüsse

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17.04.2012 - x(bis 2014-06-30) Ausschuss für Bauwesen und Umwelt

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23.04.2012 - x(bis 2014-06-30) Ausschuss für Haushaltsplanung, Finanzwesen, Beteiligungsgesellschaften und Eigenbetriebe, Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Tourismus und Liegenschaftsangelegenheiten

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30.04.2012 - Hauptausschuss (HA)

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15.05.2012 - Bürgerschaft (BS)