Beschlussvorlage der Verwaltung - 06/142
Grunddaten
- Betreff:
-
Resolution zu TTIP, CETA und TiSA
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Beschlussvorlage der Verwaltung
- Federführend:
- Import
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Bürgerschaft (BS)
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Beschlussfassung
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27.10.2014
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Beschlussvorschlag
1. Die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald appelliert an
- die Kommission der Europäischen Union
- das Parlament der Europäischen Union
- die Bundesregierung
- die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern,
sich im Zuge der Verhandlungen um das Transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und das internationale Dienstleistungsabkommen "Trade in Services Agreement" (TiSA) sowie auch beim bereits verhandelten Freihandelsabkommens mit Kanada (CETA) uneingeschränkt für die kommunale Selbstverwaltung, den Schutz und Fortbestand der kommunalen Daseinsvorsorge und der kommunalen Kultur- und Bildungspolitik einzusetzen.
2. Die Bürgerschaft fordert:
a. Die Verhandlungen sind mit größtmöglicher Transparenz und Öffentlichkeit zu führen.
b. Die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge und der kommunalen Infrastruktur darf nicht - auch nicht durch die Verwendung sogenannter Negativlisten - eingeschränkt werden. Die Spielräume für eine Auftragsvergabe nach sozialen, ökologischen oder regionalen Kriterien dürfen nicht verschlechtert werden.
c. Umwelt- und Sozialstandards und die Möglichkeiten politischer Gestaltung dürfen nicht durch Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren parallel zur bestehenden Gerichtsbarkeit gefährdet werden.
3. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, vor allem über die kommunalen Spitzenverbände, aber auch bei der Landesregierung diese Forderungen und Appelle mit dem gebotenen Nachdruck vorzutragen.
Die Landtagsabgeordneten des Wahlkreises werden gebeten, diese Forderungen und Appelle ebenfalls gegenüber EntscheidungsträgerInnen vorzutragen.
4. Die Bürgerschaft begrüßt ausdrücklich den Beschluss des Deutschen Städtetags vom 12. Februar 2014 zum TTIP und schließt sich diesem an. Er lehnt damit eine weitere Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels ab, welche Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, wie z.B. im Bereich der Bildung, der Kulturförderung, der Gesundheit, sozialen Dienstleistungen, Abwasser- und Müllentsorgung, öffentlichem Nahverkehr oder der Wasserversorgung beinhaltet.
Sachdarstellung
Angesichts der aktuellen Verhandlungen zum Freihandelsabkommen der EU mit verschiedenen Partnern sehen wir die kommunale Daseinsvorsorge und Selbstbestimmung der Universitäts- und Hansestadt Greifswald gefährdet. Diese Besorgnis teilt auch der Deutsche Städtetag.
Bei den derzeit verhandelten "Freihandelsabkommen" TTIP, CETA und TiSA handelt es sich um eine "neue Generation" von bi- und multilateralen Handelsverträgen, die eine Machtverschiebung zum Ziel haben, weg von demokratisch gewählten PolitikerInnen, hin zu multinationalen Konzernen. Diese Art von Verträgen stellt einen massiven Eingriff in unsere kommunale Gestaltungshoheit und Selbstverwaltung dar.
Die geplanten Handels- und Investitionsabkommen schränken die Stadt Greifswald in ihrer Handlungsfreiheit ein. Die Organisationsfreiheit der Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge sowie das Recht, die Art und Weise der lokalen Daseinsvorsorge zu gestalten, dürfen nicht angetastet werden.
Rekommunalisierung ist durch die sog. Stillstandsklausel nicht mehr möglich.
Der Erhalt von eigenen Einrichtungen, wie Theater und Bibliothek, und die Förderung von zivilgesellschaftlichem sowie ehrenamtlichem Engagement sind gemeinwohlerhaltende und wichtige Bestandteile der kommunalen Daseinsvorsorge.
Greifswald darf in der Erbringung dieser Aufgaben keinesfalls durch ein Handelsabkommen eingeschränkt werden.
Zu Forderung a. Demokratie und Transparenz
Die Verhandlungen zum TTIP, zum Wirtschafts-und Handelsabkommens mit Kanada CETA und zum multilateralen Dienstleistungsabkommens TiSA finden im Geheimen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Zugang zu den Dokumenten haben hingegen 600 VertreterInnen von Großkonzernen.
Obwohl Städte und Kommunen direkt betroffen sind, werden die kommunalen Spitzenverbände (Städtetag, Städte- und Gemeindebund) nicht in die Verhandlungen eingebunden.
Dies entspricht nicht unserem Verständnis von Demokratie. Vielmehr muss die Einbeziehung in die Verträge so frühzeitig erfolgen, dass die Gestaltungsfähigkeit gegeben ist. Daher ist ein vollständiger Einblick in alle Verhandlungsdokumente sowie die Einbeziehung von RepräsentantInnen aller betroffenen Gebietskörperschaften in die Verhandlungen notwendig.
Zu Forderung b und c.
Investitionsschutz für Konzerne
Internationale Konzerne erhalten ein Sonderklagerecht gegen demokratisch beschlossene Gesetze. Dieser Punkt betrifft TTIP und CETA.
Da Beschlüsse von Kommunen Anlass für solche Klagen sein können, würde dies dazu führen, dass wir uns in vorauseilendem Gehorsam bei jedem unserer Beschlüsse überlegen müssten, ob sie eventuell die Gewinnerwartung eines Konzerns schmälern und somit eine Klage nach sich ziehen könnten.
Einen solchen Eingriff in die kommunale Entscheidungshoheit lehnen wir ab.
Kommunale Daseinsvorsorge, öffentliches Beschaffungswesen, Dienstleistungssektor und Kommunale Selbstverwaltung
Da bei diesen Arten von Handelsabkommen üblicherweise die Regeln zum grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen und der Schutz ausländischer Investoren im Fokus stehen, ist zu befürchten, dass sie sich negativ auf die Organisationshoheit der Kommunen und die kommunale Handlungsautonomie (z.B. im Bereich Wasser, Abwasser oder Energieversorgung) auswirken.
TTIP und CETA gefährden die kommunale Organisationsautonomie. Immer mehr Bereiche des öffentlichen Dienstleistungssektors könnten zum "allgemeinen wirtschaftlichen Interesse" deklariert werden. Dadurch werden die Gebietskörperschaften gezwungen, diese gemäß einer "Marktzugangsverpflichtung" im Wettbewerbsverfahren auszuschreiben. Das Gemeinwohl muss jedoch in diesen sensiblen Bereichen weiterhin im Vordergrund stehen.
Obwohl die EU laut Lissabon-Vertrag und gemäß Subsidiaritätsprinzip nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen darf, würde Deutschland mit den Verträgen diesen Gesetzesübertritt dulden.
Negativlisten-Ansatz
Im Modell der Negativlisten unterliegen alle Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge bzw. des Dienstleistungsbereichs, die nicht ausdrücklich ausgenommen sind, der Liberalisierungsverpflichtung.
Es ist zu befürchten, dass TTIP, CETA und TiSA einen sog. Negativlisten-Ansatz verfolgen.
Stillstandsklausel und Ratchet-Klausel
Alle drei Handelsabkommen enthalten sowohl die Stillstands-, wie auch die Ratchetklausel.
Die Stillstandsklausel legt fest, dass nach Einigung auf einen Status der Liberalisierung dieser nie wieder angehoben werden darf.
Die Ratchetklausel besagt, dass ein kommunales Unternehmen, wie etwa Stadtwerke, das einmal von einem privaten Investor gekauft wurde, niemals wieder rekommunalisiert werden darf.
Wir lehnen solche "Endgültigkeitsklauseln" ab. Vielmehr ist zu beanstanden, dass keine generelle Austrittsklausel formuliert wurde.
Living Agreement und Rat für Regulatorische Kooperation
Die EU-Kommission plant die Etablierung eines "Regulierungsrates", in dem EU- und US-Behörden mit Konzern-Lobbyisten zusammenarbeiten, um Regulierungsmaßnahmen zu diskutieren und gegebenenfalls Standards zu lockern. Die Beteiligung Kommunaler Spitzenverbände ist nicht vorgesehen.
TTIP soll darüber hinaus ein „lebendes Abkommen“ sein, was nichts anderes bedeutet, als dass sich die Verhandlungspartner auf ein allgemeines Rahmenabkommen einigen und die Details (z.B. Absenkung der Standards) dann in einem Ausschuss (im Nachhinein) weiter verhandeln. All dies geschieht am Europaparlament vorbei und entzieht sich dadurch jeglicher demokratischen Kontrolle.