Informationsvorlage - 06/119

Reduzieren

Beratungsfolge

Reduzieren

Beschlussvorschlag

Der Oberbürgermeister informiert, dass das Radfahrverbot auf dem Hansering zwischen Stralsunder Straße und Platz am Fangenturm bis auf Weiteres nicht aufgehoben wird. Die Radwegführung am Hansering erfolgt zukünftig aus Richtung Stralsunder Straße bis zum Platz der Freiheit auf dem vorhandenen straßenbegleitenden Gehweg.

Reduzieren

Sachdarstellung

Die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald hat am 30.09.2014 folgenden Prüfauftrag beschlossen:

 

„Die Bürgerschaft der Universitäts-und Hansestadt Greifswald beauftragt den Oberbürgermeister, zu prüfen, ob das Radfahrverbot auf dem Hansering zwischen Stralsunder Straße und Fangenturm aufgehoben werden kann. Es sollen verkehrssichernde und -ordnende Maßnahmen ergriffen werden, die die Führung des Radverkehrs auf diesem Straßenabschnitt ermöglichen.“

 

Und hierzu in der Sachdarstellung/Begründung Folgendes ausgeführt:

 

„Am 18.11.2010 erging vom Bundesverwaltungsgericht ein Urteil (BVerwG 3 C 42.09), welches den Standpunkt bekräftigte, dass die behördliche Anordnung einer Benutzungspflicht von Radwegen nur bei einer konkreten Gefahrenlage zulässig sei. Auch eine erhöhte abstrakte Gefahr stellt laut dem Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg (5 S 575/09) keinen Grund dar, den fließenden Verkehr zu beschränken.

Beschränkt bzw. verboten wird der Radverkehr allerdings auf dem Hansering durch das Zeichen 254 - Verbot für Fahrräder.

Als Gründe für das oben genannte Radverkehrsverbot führt die Verwaltung eine hohe Verkehrsstärke sowie fehlenden Seitenraum für einen separaten Radweg an (Antwort der Verwaltung vom 27.02.2014 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Radwegebenutzungspflicht (Dokument 145A). Das oben genannte Radverkehrsverbot stellt einen erheblichen und auch mit der angegebenen Begründung nicht nachvollziehbaren Eingriff in den fließenden Verkehr dar. Dies ist auch vor dem Hintergrund der Abnahme der Kfz-Verkehrsstärke auf dem genannten Streckenabschnitt um bis zu 30% im Zuge der Inbetriebnahme der Bahnparallele und der Ortsumgehung nicht nach zu vollziehen. Eine hohe Verkehrsstärke im Innenstadtbereich ist per se noch keine konkrete Gefahrenlage, die ein Radverkehrsverbot begründet.

Andere Städte sind bei der Anpassung ihrer Radverkehrsführungen an die aktuelle Rechtsprechung fortgeschrittener. So sind in Berlin mit dem Kaiserdamm und der Bundesallee mittlerweile achtspurige Straßen für RadfahrerInnen freigegeben.

Das Radfahrverbot auf dem Hansering lässt sich auch als Eingriff in die uneingeschränkte Zugänglichkeit für RadfahrerInnen zu wichtigen Knotenpunkten der Stadt (Platz der Freiheit, Ecke Friedrich-Loefflerstraße, Marienstraße) bewerten, da keine zumutbaren Ausweichstrecken für den Radverkehr angeboten werden können (Antwort der Verwaltung oben genannte Kleine Anfrage der Fraktion B.90/DIE GRÜNEN).

Um die gesamte Strecke des Hanserings zwischen Stralsunder Straße und Platz der Freiheit für RadfahrerInnen passierbar zu machen, ist eine Aufhebung des Radfahrverbotes auf der Straße nur auf der Strecke Stralsunder Straße bis Fangenturm erforderlich.

 

Denn die Stadtverwaltung plant im Rahmen der Umgestaltung der Wallanlagen einen kombinierten Fußgänger- und Radweg zwischen Fangenturm und Friedrich-Loeffler-Straße, der aus den Mitteln für die Wallumgestaltung finanziert wird. Ab der Loeffler-Straße existiert bereits ein kombinierter Fußgänger- und Radweg zum Platz der Freiheit. An diesen Streckenabschnitten muss daher der Radverkehr nicht zwingend zusätzlich noch auf die Straße verlegt werden.

Die Umsetzung des Vorhabens kann haushaltsneutral erfolgen, da aufgrund des Verkehrsaufkommens keine Markierung eines Radschutzstreifens auf der Straße erforderlich ist. Die Verbringung des Radverkehrs auf die Straße kann vielmehr sogar noch Geld sparen, da dann keine Ausweitung des von der Verwaltung geplanten Fußweges entlang dieses Streckenabschnittes auf den Radverkehr mehr erforderlich ist und somit das gesamte Projekt kostengünstiger erfolgen kann.

Wird der Radverkehr auf einem innerstädtischen Tempo-50-Straßenabschnitt geführt, wären passende Fahrbahnmarkierungen für den Radverkehr, Tempo-30-Abschnitte für den Kfz-Verkehr und deren stringente Überwachung sowie Anpassungen der Radverkehrsführung in Kreuzungsbereichen als verkehrsdämpfende und -ordnende Maßnahmen in die nähere Betrachtung einzubeziehen“.

 

Seit einer Novellierung der Straßenverkehrsordnung (StVO) im Jahre 1997 gibt es keine gesetzlich angeordnete Radwegbenutzungspflicht mehr. Fahrradfahrern steht es also grundsätzlich frei, vorhandene Radwege zu benutzen oder die dem Fahrzeugverkehr vorbehaltene Fahrbahn zu befahren. Nur in Einzelfällen wird dieses Recht durch die Anordnung einer beschilderten Radwegbenutzungspflicht (Zeichen 237 oder 240 oder 241 zu § 41 II der StVO) oder durch Anordnung eines Verbotes für Radfahrer (Zeichen 254 zu § 41 II der StVO) eingeschränkt. Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 und Satz 2 StVO sind auch insoweit Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Insbesondere dürfen Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter (sic. Sicherheit und Ordnung des Verkehrs, Verhütung vermeidbarer Belästigungen durch den Fahrzeugverkehr, Verhütung von außerordentlichen Schäden an der Straße) erheblich übersteigt.  Auch die unmittelbare oder mittelbare Anordnung des Verbotes für Fahrradfahrer, die allgemeine Fahrbahn zu benutzen, unterliegt diesen Anordnungsrestriktionen.

 

Die Straßenverkehrsbehörde entscheidet also bei Vorliegen einer sogenannten  qualifizierten Gefährdungslage  nach pflichtgemäßem Ermessen über mittelbare oder unmittelbare Anordnung des Verbotes der Benutzung der allgemeinen Fahrbahn für Radfahrer. Gemäß den Verwaltungsvorschriften zu § 2 „Straßenbenutzung durch Fahrzeuge“ müssen grundsätzlich weiterhin angemessene, für Radfahrer nutzbare Nebenanlagen vorhanden sein, um die Verbotsanordnung zu rechtfertigen. Nur ganz ausnahmsweise kommt auch die Anordnung eines Radfahrverbotes ohne Gestellung einer angemessenen, nutzbaren Nebenanlage in Betracht.

Im konkreten Fall ist also neuerlich zu prüfen gewesen, ob die Mitbenutzung der allgemeinen Fahrbahn durch Radfahrer im Hansering im Abschnitt zwischen Steinbecker Brücke und F.-Löffler-Straße zu einer qualifizierten Gefährdungssituation im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO führen würde.

 

Der Hansering ist eine innerörtliche Hauptverkehrsstraße mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke liegt bei

16.000 Kfz, in der Spitzenstunde bei 1260 Kfz. Die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) ist entsprechend der VwV zur StVO § 2 Abs.4 hinsichtlich der Gestaltung der Radverkehrsanlagen anzuwenden. Bei der Kfz-Belegung in Verbindung mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h wird die Trennung des Radverkehrs vom Kfz-Verkehr (Radfahrstreifen, Radweg oder gemeinsamen Geh- und Radweg) empfohlen. Aber auch für die Wertung, ob die in § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorausgesetzte besondere Gefährdungslage vorliegt, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes auf die ERA zurückgegriffen werden (vgl. Urteil vom 18.11.2010 - BVerwG 3 C 42.09- BVerwGE 138,159 Rn.27).

Unter Punkt 3 der ERA, der sich mit den Führungsformen des Radverkehrs an innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen befasst, wird in Punkt 3.1 darauf verwiesen, dass die Verträglichkeit des Radverkehrs auf der Fahrbahn neben der Kfz-Verkehrsstärke und –Geschwindigkeit auch von der Fahrbahnbreite abhängt.

Mischverkehr auf Fahrbahnen mit Breiten zwischen 6,00 m und 7,00 m bei einer Kfz-Verkehrsstärke über 400 Kfz/h werden als problematisch angesehen, da unter diesen Voraussetzungen ein gefahrloses Überholen von Radfahren erschwert wird.

Die Fahrbahnbreite im zu betrachtenden Abschnitt des Hanseringes ist unterschiedlich, liegt aber größtenteils um 7,00 m (Engstelle mit 6,82 m in Höhe Einmündung Brüggstraße).

Hiervon ausgehend und eingedenk der Tatsache, dass die im Hansering ermittelte Verkehrsspitzenstunde mit 1260 Kfz um ein Dreifaches höher liegt als der in der ERA genannte Grenzwert für das Zulassen der Radfahrer im Mischverkehr bei einer vorhandenen Fahrbahnbreite von ca. 7,00m sieht die Straßenverkehrsbehörde in Abstimmung mit der Polizei hier ein besonderes Gefährdungspotential beim Überholen der Radfahrer im Gegenverkehr. Nach § 5 Abs. 4 StVO muss beim Überholen ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere zu Fußgängern und Radfahrern eingehalten werden. Straßenverkehrsbehörde und Polizei haben dafür Sorge zu tragen, dass im Interesse der Gewährleistung der Verkehrssicherheit, insbesondere für die schutzbedürftigen Verkehrsteilnehmer (Fußgänger, Radfahrer), die örtlichen Verhältnisse als Voraussetzung für die Einhaltung der Verhaltensanforderungen an den Kfz- Führer nach der StVO vorhanden sind.

 

Eine qualifizierte Gefährdungssituation wäre also mit der gemeinsamen Nutzung des Hanserings durch Radfahrer und Kraftfahrzeugführer verbunden.

 

Weiterhin ist, um die Verbotsanordnung zu rechtfertigen, zu prüfen gewesen, ob angemessene, für Radfahrer nutzbare Nebenanlagen vorhanden sind oder angelegt werden können. Der derzeitige Gehweg auf der Südseite des Hanseringes im besagten Abschnitt wird zur Zeit bis zur neuen Querungshilfe am Fangenturm in der geforderten Breite von 2,50 m (lediglich zwei Engstellen auf Grund der vorhandenen Straßenbeleuchtung) für einen gemeinsamen Geh- und Radweg instand gesetzt. Die angemessene Radfahrerführung entlang des Hanserings gestaltet sich dann folgendermaßen. Vom Platz der Freiheit zur Stralsunder Straße wird der Radfahrer bis zur neuen Querungshilfe am Fangenturm auf den gemeinsamen Geh- und Radweg auf westlicher bzw. südlicher Seite des Hansering verwiesen. An der Querungshilfe wird die Straßenseite zu wechseln sein und der Radfahrer wird auf den nördlich des Hansering verlaufenden Europäischen Radwanderweg bis zur Stralsunder Straße geführt. Von der Stralsunder Straße zum Platz der Freiheit wird der Radfahrer auf dem zukünftig gemeinsamen Geh- und Radweg auf der südlichen bzw. westlichen Seite des Hanserings geführt. Die Anzahl der Fußgänger und Radfahrer in der Spitzenstunde in Auswertung der Zählungen spricht nicht gegen eine gemeinsame Nutzung der dieser Verkehrsanlagen.

 

 

Loading...

Beschlüsse

Erweitern

05.11.2014 - Ortsteilvertretung Innenstadt (OTV In)

Erweitern

11.11.2014 - Ausschuss für Bauwesen, Umwelt, Infrastruktur und öffentliche Ordnung - zur Kenntnis genommen

Erweitern

24.11.2014 - Hauptausschuss (HA) - endet im HA