Beschlussvorlage der Verwaltung - 06/400
Grunddaten
- Betreff:
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Die Anpassung des Bewertungs- und Zertifizierungssystems zum nachhaltigen Bauen an die Erfordernisse kommunaler Neubau- und Sanierungsvorhaben zugunsten der ökonomischen Optimierung
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Beschlussvorlage der Verwaltung
- Federführend:
- Import
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Geplant
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Senat (S)
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Beratung im Senat
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Geplant
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Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Kultur
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Beratung
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08.09.2015
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Geplant
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Ausschuss für Finanzen, Liegenschaften und Beteiligungen
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Beratung
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07.09.2015
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Geplant
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Ausschuss für Bauwesen, Umwelt, Infrastruktur und öffentliche Ordnung
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Beratung
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08.09.2015
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Erledigt
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Hauptausschuss (HA)
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Beratung
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14.09.2015
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Erledigt
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Bürgerschaft (BS)
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Beschlussfassung
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28.09.2015
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Beschlussvorschlag
Die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald beschließt:
Den Verantwortlichen für Bauprojekte der UHGW steht die Wahl des Bewertungs- und Zertifizierungssystems zum nachhaltigen Bauen frei, sofern die wirtschaftlich günstigste Variante zur Realisierung des geforderten Standards (Gütesiegel Silber) Anwendung findet.
Sachdarstellung
Am 15.05.2012 entschied die Bürgerschaft in ihrem Beschluss B453-25/12, dass die „Leitlinien für nachhaltiges Bauen Stadt Greifswald“ für alle Neubau- und Sanierungsvorhaben von öffentlichen Gebäuden der Stadtverwaltung und kommunaler Einrichtungen anzuwenden sind. Zudem sollte als Mindestmaß der Bauqualität das Gütesiegel der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) in Silber angestrebt werden, was auch die Anwendung des DGNB-Zertifizierungssystems impliziert. Über eine Zertifizierung könne laut Beschluss im Einzelfall entschieden werden.
Die Leitlinien selbst stützen sich auf die Kriterien der DGNB und des BNB (Bewertungssystem für nachhaltiges Bauen) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Elementare Inhalte aus BNB bzw. DGNB wurden übernommen. Die Anforderungen, die aus den Leitlinien hervorgehen machen grundsätzlich eine Zertifizierung der geplanten Projekte wahlweise nach dem BNB-System oder dem DGNB-System möglich.
Die Leitlinien zum nachhaltigen Bauen finden erstmalig beim Neubau- und Sanierungsvorhaben Käthe-Kollwitz-Schule Anwendung. Die für die Zertifizierung notwendigen Planungen und Nachweise werden durch die Hochbauabteilung, den Architekten und Fachplaner in Abstimmung mit einem DGNB-Auditor erarbeitet.
Dem Bürgerschaftsbeschluss B453-25/12 (15.05.2012) entsprechend, ist zum Pilotvorhaben ein zusammenfassender Bericht zu erstellen, der Aufwand und Nutzen des gewählten Zertifizierungsverfahrens darstellt und zugleich Empfehlungen für die weitere Anwendung und gegebenenfalls Novellierung der Richtlinie enthält. Die Nachweiserbringung für die DGNB-Zertifizierung läuft bis zum Oktober 2015. Da die Konformitätsprüfung durch den DGNB- Zertifizierungsausschuss voraussichtlich erst zu Beginn des Jahres 2016 abgeschlossen sein wird, kann auch erst im Anschluss mit der geforderten Berichtserstellung begonnen werden.
Unterdessen wurde darüber entschieden, die für das Pilotvorhaben gewählte Zertifizierungsvariante nach DGNB-System auch auf weitere Neubauvorhaben der UHGW anzuwenden. Aus der Niederschrift des öffentlichen Teils der zweiten Sitzung der Bürgerschaft vom 15.09.2014 zum zweiten Verfahren bzgl. Standort und Finanzierung eines Neubaus für das Stadtarchiv geht u.a. hervor, dass für das Vorhaben sowohl der Passivhausstandard als auch das DGNB-Gütesiegel (silber) angestrebt werden sollen. Dem BS-Beschluss B73-03/14 vom 27.10.2014 zur baulichen Aufwertung des Schulstandortes IGS Erwin Fischer entsprechend, ist ein DGNB-Gütesiegel anzustreben; von einer Zertifizierung könne abgesehen werden.
Diese grundsätzlichen Festlegungen wurden getroffen noch bevor die Herausgabe des endgültigen Berichts zum Pilotvorhaben Käthe-Kollwitz-Schule erfolgen konnte. Als repräsentative Daten- und Entscheidungsgrundlage wird der Bericht das weitere Vorgehen beim nachhaltigen Bauen sowie etwaigen Gebäudezertifizierungen wesentlich beeinflussen.
Bis zur Bekanntmachung des Berichtes sind die gewonnenen Erkenntnisse der Bauprozess- und Planungsbeteiligten maßgebend für die Entscheidungsfindung zur anforderungsgerechten Fortführung des nachhaltigen Bauens.
Für das Stadtarchiv sowie für die IGS Erwin Fischer laufen gegenwärtig die Vorbereitungen zur Vergabe der Planungsleistungen. Bereits in dieser Phase ist auch die Identifizierung und Wahl der wirtschaftlich günstigsten Variante des Bewertungs- bzw. Zertifizierungssystems zum nachhaltigen Bauen außerordentlich wichtig, leiten sich doch daraus die zu beauftragenden (nachhaltigen) Leistungen der Auftragnehmer ab. Möglichst frühzeitig sind der Bedarf zu definieren und Zielvereinbarungen zu treffen, wodurch Zielkonflikte zeitnah identifiziert und entsprechende Lösungsansätze entwickelt oder Synergieeffekte genutzt werden können.
Mit der nach diesem Dokument beschlossenen Anpassung soll insbesondere eine Ergänzung der bisherigen Bürgerschaftsbeschlüsse herbeigeführt werden, nach welchen ausschließlich das DGNB-Zertifizierungssystem bei künftigen Bauvorhaben der UHGW angewendet werden soll.
Bewertungs- und Zertifizierungssysteme
Das für die Kollwitz-Schule verwendete Zertifizierungssystem nach DGNB repräsentiert lediglich eine von mehreren Möglichkeiten die nachhaltige Errichtung bzw. Sanierung eines Gebäudes zu bewerten und zu zertifizieren. Diverse am Markt angebotene Planungs- und Zertifizierungssysteme zum nachhaltigen Bauen ermöglichen es ein Erreichen des durch die Bürgerschaft geforderten DGNB-Standards „silber“ bzw. dessen Gleichwertigkeit sicherzustellen.
Allen voran eignet sich das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) dazu, die gestellten Anforderungen zu gewährleisten, da das System in großen Teilen identisch mit dem der DGNB ist. Das BMVBS hat das Bewertungssystem für die Eigenbewertung von Bundesbauten präzisiert. Parallel dazu hat die DGNB ein vollständiges Zertifizierungssystem für verschiedenste private Gebäudenutzungen entwickelt.
Gemäß BMVBS-Erlass [1]muss beispielsweise für alle Neubauten des Bundes mit einer Bausumme größer als 1 Million Euro eine Bewertung nach BNB durchgeführt und nach Fertigstellung des Gebäudes der Silberstandard erreicht und nachgewiesen werden. Davon betroffen sind alle für Bundesbauten zuständigen Stellen. Die verschiedenen Systemvarianten (z.B. Büro- und Verwaltungsgebäude, Unterrichtsgebäude oder Außenanlagen) des BNB-Systems sind direkt an die Erfordernisse von Bauvorhaben der öffentlichen Hand angeglichen.
Wertesysteme von internationaler Bedeutung sind zum Beispiel das BREEAM (Environmental Assessment Method des Building Research Establishment) oder das LEED (Leadership in Energy and Environmental Design). Beide Systeme haben einen jedoch eher qualitativen Ansatz und basieren z.T. nicht auf deutschen Normen, weswegen deren Anwendung künftig keine wesentliche Bedeutung haben wird.
DGNB-Zertifizierung der Käthe-Kollwitz-Schule – Verfahrensweise und
Erfahrungswerte
Das Erreichen des DGNB-Zertifizierungsstandards „silber“ ist an die möglichst vollständige Erfüllung ausgewählter Kriterien der Kategorien Ökologie, Ökonomie, Soziokultur, technischer Qualität oder Bauprozessqualität geknüpft. Dem DGNB-Nutzungsprofil „Bildungsbauten“ entsprechend werden diese Kriterien durch einen DGNB-Auditor vorgegeben, der auch die äquivalenten Nachweise sammelt und prüft. Einige prüfrelevante Nachweise resultieren z.T. aus der Standard-Planung nach HOAI und teilweise aus zusätzlich zu beauftragenden besonderen Leistungen. Letztere machen den Großteil der zusätzlichen Kosten gegenüber einem nicht-zertifizierten Gebäude aus. Diese Mehrkosten fallen immer als grundlegender Bestandteil des nachhaltigen Bauens an, unabhängig vom Zertifizierungssystem.
Dem DGNB-System eigen ist die verpflichtende Beauftragung eines DGNB-Auditors durch den Bauherren bzw. Architekten. Allein er darf die Bewertung der eingereichten Dokumente und Nachweise vornehmen.
Die am Bauvorhaben Beteiligten erarbeiten und übermitteln dem Auditor, fortwährend über die Zeit des Bauverlaufs, die vereinbarten Nachweise. Nur dem Auditor ist es gestattet diese Nachweise bei der DGNB-Zertifizierungsstelle einzureichen.
Als angestrebtes Zertifizierungsergebnis für das Bauvorhaben soll der Silberstandard nach DGNB erreicht werden, was gemäß DGNB-Wertesystem einem Gesamterfüllungsgrad von 65 bis 79% entspricht. Der Auditor ordnet den empfangenen Nachweisen je nach Mängelfreiheit Punkte zu. Erst mit Abschluss der Nachweisführung durch die Baubeteiligten wird der Auditor sein ermitteltes Zwischenergebnis zum erreichten Erfüllungsgrad offenkundig mitteilen.
Mangels Auskünften zur DGNB-Methode der Punkteermittlung und des zwischenzeitlichen Erfüllungsgrades können die Baubeteiligten während der Baumaßnahme lediglich über den Zertifizierungsstand spekulieren. Ebenso wenig ist über die prozentuale Wertigkeit der Einzelnachweise und ihren Einfluss auf das Zertifizierungsergebnis bekannt. So kann beispielsweise nicht ausgeschlossen werden, dass Nachweise, die z.T. mit hohem kosten- und personaltechnischem Aufwand erbracht wurden, unter Umständen nur eine geringe Eignung/Anwendbarkeit für den Gebäudenutzer bzw. –betreiber darstellen. Aufgrund der mangelnden Transparenz des Systems wird hier der notwendige, nachvollziehbare Abgleich aus Investition und Nutzen verhindert.
Nach Angaben der DGNB betragen die Kosten für Auditorleistungen, je nach Projekt, zwischen 30.000 und 60.000 €. Dies deckt sich auch mit den bisherigen Erfahrungen des Bauherrn.
Für eine Zertifizierung nach BNB ist keine zusätzliche Beauftragung eines Auditors erforderlich; zuvor bezifferte Honorarkosten ließen sich also einsparen. Der kosten- und barrierefreie Zugang zu den BNB-Bewertungswerkzeugen und-Kriterienbriefen begünstigt die schnelle und nachvollziehbare Nachweisführung für eine optionale Zertifizierung.
Die wesentlichen Aufgaben eines Auditors kann ein BNB-Koordinator übernehmen. Überwiegend wird diese Arbeit als Bauherrenaufgabe gesehen und deshalb behördenintern wahrgenommen. Die Koordinatoren werden nach einem einheitlichen Curriculum geschult. Es besteht die Option einen Angestellten des Immobilienverwaltungsamtes zum BNB-Koordinator weiterzubilden.
Zertifizierung
Die endgültige Zertifizierung eines Gebäudes erfolgt durch die Prüfung der erbrachten Nachweise auf Konformität mit den gestellten Vorgaben zum nachhaltigen Bauen (auch Konformitätsprüfung). Für das Bauvorhaben Käthe-Kollwitz-Grundschule steht diese noch aus. In Abhängigkeit vom Zertifizierungssystem und bestimmten Gebäudeparametern ist für eine Konformitätsprüfung in der Regel ein mittlerer bis hoher vierstelliger Betrag zu entrichten. Beim DGNB e.V. erfolgt die Konformitätsprüfung durch eine Zertifizierungsstelle.
Nach BNB errichtete Objekte dürfen durch eine frei wählbare, behördlich anerkannte Institution zertifiziert werden. Es ist zu erwarten, dass zumindest einige Länder das BNB als Standard einführen. Wenn die Länder eigene Konformitätsprüfungsstellen betreiben, entfallen zudem die externen Gebühren beim BNB gegenüber DGNB-Zertifizierungen.[2]
Der Beschluss zur ausschließlichen Anwendung des DGNB-Systems in Zertifizierungsfällen steht gleichbedeutend für den Ausschluss alternativ verfügbarer, möglicherweise geeigneterer (d.h. wirtschaftlicherer, bedarfsgerechterer) Zertifizierungssysteme.
Mit dem vorliegenden Beschluss soll lediglich eine Ergänzung zu den vorherigen Beschlüssen zum nachhaltigen Bauen erwirkt werden. Den Projektverantwortlichen der UHGW soll die Wahl des Bewertungssystems als Instrument für eine Zertifizierung künftig freistehen, vorausgesetzt es wird die wirtschaftlich günstigste Variante ausgewählt, mit welcher zugleich eine Realisierung der für die UHGW geforderten Standards zum nachhaltigen Bauen herbeigeführt werden kann.
[1] [1] Erlass 2010/554/D BMVBS 2011: Verpflichtenden Einführung des Leitfadens Nachhaltiges Bauen für ausgewählte Büro- und Verwaltungsgebäude (Neubau), Schreiben des Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 03.03.2011
[2] Erlass BMVBS 2012: Verpflichtende Umsetzung des Leitfadens Nachhaltiges Bauen für alle Büro- und Verwaltungsneubauten ab der ES-Bau, Schreiben des Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 14.05.2012