Beschlussvorlage der Verwaltung - 06/893

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Anlässlich der neuen Schiffsicherheitsverordnung des Bundes (SchSV), die zum 1. Januar 2017 in Kraft treten soll, beschließt  die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald:


1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich an das Bundesministerium für Verkehr zu wenden, mit dem Ziel, Nachbesserungen am Entwurf der SchSV im Sinne der Traditionsschifffahrt in Greifswald zu bewirken. Dabei wird ausdrücklich eine Einbeziehung der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern in Berlin begrüßt.

 

2. Das Präsidium der Bürgerschaft wird beauftragt, sich an alle Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises zu wenden mit der Aufforderung, sich um Nachbesserungen an der SchSV im Sinne der Traditionsschifffahrt in Greifswald zu bemühen.

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Sachdarstellung

Traditionsschiffe sind Bestandteil des maritimen Kulturerbes und das Kernstück des Greifswalder Museumshafens. Dieser wiederum ist ein wichtiger Bestandteil des Stadtbildes, der maritimen Bildungsarbeit, z.B. mit der Durchführung von Klassenfahrten, und des maritimen Tourismus in Greifswald. Seit vielen Jahren engagieren sich hier viele Menschen mit hohem ehrenamtlichen Aufwand für die Schiffe und damit auch für die Stadt.

Im August hat das Bundesministerium für Verkehr einen neuen Entwurf zu den sicherheitsrechtlichen Vorschriften und Anforderungen an Traditionsschiffe in Deutschland (SchSV) vorgelegt. Die Einwände der Länder und Verbände wurden geprüft. Am 22. November hat das Ministerium im Verkehrsausschuss mitgeteilt, welche Punkte es zu berücksichtigen gedenkt. Daraus wurde ersichtlich, dass nur Teile der Einwände übernommen werden, kritische Punkte in erheblichem Ausmaß aber bestehen bleiben sollen. Die veränderten Vorschriften sollen zum 1. Januar 2017 in Kraft treten.

 

Im derzeitigen Entwurf bleiben erheblich verschärfte Sicherheitsbestimmungen, Anforderungen an Bau und Betrieb von Traditionsschiffen und finanzielle Anforderungen an die Betreiber, die die ehrenamtlich arbeitenden Betreibervereine oder Einzelpersonen bei weitem überfordern. Besonders betroffen hiervon sind die kleineren Schiffe (z. B. Vorpommern, Hoffnung, Hanne-Marie). Aber auch einige größere Schiffe, die im Museumshafen liegen, könnten nur noch als Vorzeigeobjekte ohne Seetauglichkeit Verwendung finden (z. B. Christian Müther, Lovis, Seefuchs)

Sollten die Ehrenamtlichen die auferlegten Aufgaben nicht mehr leisten können, wird man etliche Traditionsschiffe stilllegen müssen.

Damit werden das maritime Kulturerbe, der maritime Tourismus in Greifswald, die maritime Bildungsarbeit und die Erlebbarkeit des Ryck und der Boddenküste gefährdet. Um dies zu verhindern, ist eine Anpassung der sicherheitsrechtlichen Vorschriften mit Augenmaß erforderlich.

 

Die Verschärfung der Regelungen erfolgt dabei ohne einen sicherheitsbedingten Handlungsdruck. Nach Statistiken der BSU (Bundesstelle für Seeunfall Untersuchung) fahren registrierte Traditionsschiffe nahezu unfallfrei.

 

Die neue SchSV sollte unbedingt in folgenden Punkten nachgebessert werden:


1. Unscharfe Formulierungen und Begrifflichkeiten, die die Rechtssicherheit für Eigner_innen und Betreiber_innen der Traditionsschiffe nicht erhöhen, müssen präzisiert werden.

 

2. Eine Bezahlung von Personal zur Koordination ehrenamtlicher Tätigkeiten oder Aufwandsentschädigungen, wie sie der gängigen steuer- und vereinsrechtlichen Praxis in gemeinnützigen Organisationen entsprechen, muss weiterhin möglich sein.

Denn ein vollständig ehrenamtlicher Betrieb in allen Bereichen (Verwaltung, Bau, Betriebssicherheit, Fahren, …) ist angesichts steigender Anforderungen kaum zu erreichen und führt zu weniger anstatt zu mehr Sicherheit.


3. Eine Regelung ist erforderlich, die den Vereinen eine eigenverantwortliche Bewältigung des Aufwands, ein Traditionsschiff in Fahrt zu halten, ermöglicht.

Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit durch die Finanzämter gilt nicht als ausreichend für die Bestätigung des ideellen Betriebs ohne Gewinnerzielungsabsicht.

 

4. Die Stammcrews sollten nicht die Anforderungen der gewerblichen Seefahrt erfüllen müssen.
Traditionsschiffe sind nicht der Berufsschifffahrt zuzuordnen. Trotzdem müssten laut Entwurf zukünftig von der Stammcrew Anforderungen aus der gewerblichen Seefahrt erfüllt werden, was vielen der derzeit Aktiven nicht möglich sein wird.
Die Anforderungen stehen im erheblichen Widerspruch zur geforderten Ehrenamtlichkeit und erhöhen die Zugangsschwelle für Nachwuchs – insbesondere auf kleinen Schiffen. Vor allem Schiffe, mit einer großen, ehrenamtlichen Besatzung, die sich über die Saison ständig abwechselt, sind hiervon betroffen.

 

5. Es müssen realistische Übergangsfristen für die Anpassung der Anforderungen eingeräumt werden.
Die neuen Anforderungen zu erfüllen, stellt einen erheblichen organisatorischen, zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Betreiber_innen dar. Es ist unrealistisch, dass ab Inkrafttreten alle neuen Sicherheitsregeln und Anforderungen eingehalten werden können. Soll eine kontinuierliche Umstellung und eine Erhöhung des Sicherheitsstandards der aktuellen, heterogenen Flotte möglich sein, sind realistische Übergangsfristen vonnöten. Diese sollten an die Art der Anforderung angepasst sein. Für die Beschaffung mobiler Ausrüstungsgegenstände ist sicherlich eine geringere Übergangsfrist erforderlich, als z. B. für die Nachrüstung wasserdichter Schotten. Ohne Zeithorizont fehlt den Betreiber_innen Rechtssicherheit und finanzielle Planbarkeit.

 

Die Bürgerschaft appelliert an die politisch Verantwortlichen auf Bundesebene, die Traditionsschifffahrt durch die neue SchSV nicht zu verhindern, sondern Traditionssegler_innen als Partner für mehr Sicherheit zu verstehen.

Dazu werden alle politischen Gremien und handelnden Greifswalder Akteur_innen, die ihren Einfluss auf Bundesebene geltend machen können, um Unterstützung gebeten.

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Beschlüsse

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19.12.2016 - Bürgerschaft (BS) - einstimmig