Beschlussvorlage der Verwaltung - 06/1786
Grunddaten
- Betreff:
-
Grundsatzbeschluss Reduktion der Lichtverschmutzung
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Beschlussvorlage der Verwaltung
- Federführend:
- Import
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Geplant
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Ausschuss für Bauwesen, Umwelt, Infrastruktur und öffentliche Ordnung
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Beratung
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12.03.2019
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Erledigt
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Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Kultur
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Beratung
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12.03.2019
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Erledigt
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Hauptausschuss (HA)
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Beratung
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25.03.2019
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Geplant
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Bürgerschaft (BS)
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Beschlussfassung
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29.04.2019
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Beschlussvorschlag
Die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald beschließt:
Die Bürgerschaft bekennt sich zu dem Grundsatz, die städtische Beleuchtung möglichst effizient, sparsam und zielgerichtet zu gestalten.
Dazu beauftragt sie den Oberbürgermeister zu prüfen, inwieweit folgende Maßnahmen zur Erreichung des genannten Grundsatzes umsetzbar und praktikabel sind. Sofern sie bereits umgesetzt werden, sollen sie zumindest beibehalten und wenn möglich ausgebaut werden.
1. Beschaffenheit der städtischen Beleuchtung
- Es sollen Leuchtmittel mit der Lichtfarbe warmweiß (bis 3000 Kelvin) mit möglichst geringem Blauanteil verwendet werden.
- Die Beleuchtungsstärke soll nicht über das rechtlich gebotene Maß hinausgehen.
- Die Anschaffung und Verwendung von dimmbaren Leuchtmitteln soll geprüft werden.
- Die Anschaffung und Verwendung intelligenter und bedarfsangepasster Schaltungen soll geprüft werden (z.B. Sensoren/Bewegungsmelder, dazu gehörige Software, Analyse- und Reporting-Tools)
- Es sollen bevorzugt abgeschirmte Leuchten installiert werden.
- Die Beleuchtung von Straßen und Anlagen (Parks, Parkplätze, Sportanlagen etc.) soll so ausgerichtet werden, dass sie möglichst nur den genutzten Raum und nicht den darüber liegenden Luftraum (den „oberen Halbraum“ bzw. „freien Himmel“) oder den ungenutzten Bodenbereich beleuchtet. Die Beleuchtung von Denkmälern und anderen Bauwerken soll möglichst nur diese und nicht die Umgebung beleuchten.
- Die bisher genutzten Lampentypen und installierten Leuchten sind anhand dieser genannten Kriterien zu überprüfen und eine schrittweise Anpassung vorzunehmen.
2. Reduktion des Ausmaßes der städtischen Beleuchtung
- Die Beleuchtung von Straßen und Anlagen soll (unter Berücksichtigung der weiteren Grundsätze, insb. 4. und 5.) zu wenig genutzten Zeiten reduziert bzw. abgeschaltet werden.
- Bei Straßen ist nach Nutzungsgrad (Hauptverkehrsstraßen, Anliegerstraßen) und Lage (Innenstadt, Wohnquartiere) zu differenzieren. In Parks sollen grundsätzlich nur die Hauptwege beleuchtet werden. Möglichkeiten der Reduktion sind etwa die Abschaltung jeder zweiten Lampe oder die Verwendung dimmbarer Leuchtmittel. Dabei soll insbesondere die Verwendung intelligenter und bedarfsangepasster Schaltung in Betracht gezogen werden.
- Das geringste Ausmaß der Beleuchtung soll in der nächtlichen Kernzeit von 22/23 bis 6 Uhr verwendet werden.
3. Reduktion des Ausmaßes privater Beleuchtung
- Es sollen mit Betreiber*innen beleuchteter Werbeanlagen Gespräche geführt werden, um auf eine bessere Ausrichtung und Reduktion der Beleuchtung, insbesondere außerhalb der Geschäftszeiten und zur nächtlichen Kernzeit, hinzuwirken.
- Daneben soll geprüft werden, inwieweit in städtischen Satzungen (Gestaltungssatzung, Sondernutzungssatzung, Bebauungsplänen u.a.) die Nutzung beleuchteter Werbeanlagen begrenzt werden kann. Dabei sollen folgende Maßgaben berücksichtigt werden: Unterscheidung von freistehenden Werbeanlagen und solchen am Ort der Leistung; Begrenzung der Beleuchtungsstärke je nach Umgebung (Verkehr, Wohnbebauung u.a.); Begrenzung der Beleuchtungsdauer außerhalb der Geschäftszeiten und insbesondere zur nächtlichen Kernzeit.
4. Kooperation und Akzeptanz
- Geplante Veränderungen sollen mit relevanten Gremien (OTVen, Beiräten etc.), Anwohner*innen, Gewerbetreibenden usw. abgestimmt werden.
- Neben den eingangs genannten Zielen ist auch auf Gestaltung (etwa Einheitlichkeit), Sicherheit (bzw. Sicherheitsgefühl) und andere die Akzeptanz fördernde Aspekte Rücksicht zu nehmen.
- Mit den in dieser Vorlage genannten Grundsätzen ist es selbstverständlich vereinbar, die nächtliche Beleuchtung dort zu verbessern, wo sie bisher unzureichend ist.
5. Gesamtkonzept, Evaluierung, begrenzte Modellprojekte, Finanzierungsmöglichkeiten
- Die einzelnen Aspekte können in einem Lichtkonzept/Masterplan zusammengefasst werden. Sofern dazu Leistungen Dritter (insb. die Beauftragung eines Planungsbüros) erforderlich sind, sind diese mit einer Kostenschätzung der Bürgerschaft vorzulegen.
- Es soll geprüft werden, inwieweit aufeinander abgestimmte Maßnahmen zur Lichtreduktion in einem begrenzten Raum (z.B. ein Stadtteil) als Modellprojekt durchgeführt werden.
- Zur Umsetzung der Maßnahmen ist die Einwerbung von Fördermitteln anzustreben. Dafür sind auch bereichsspezifische Projekte (z.B. bzgl. Klimaschutz, intelligenter Lichtsysteme) in Betracht zu ziehen.
- Die ergriffenen Maßnahmen zur Lichtreduktion sollen in geeigneten Abständen (z.B. einem Jahr) auf Kosten und Nutzen evaluiert werden.
Sachdarstellung
Die Frage der nächtlichen Beleuchtung betrifft nicht nur den Energieverbrauch und damit Kosten und CO2-Emmissionen. Künstliches Licht hat auch Einfluss auf die menschliche Gesundheit und zahlreiche, insbesondere nachtaktive Tiere. Abgesehen davon hat die Sichtbarkeit des Nachthimmels auch einen kulturellen Wert. Das Thema Reduktion der Lichtverschmutzung rückt in den letzten Jahren verstärkt in den öffentlichen Fokus. Immer mehr Kommunen sehen es als Handlungsfeld und verwenden dazu ganz unterschiedliche Instrumente. Diese reichen von Informationskampagne über informelle Instrumente bis hin zu verbindlichen Vorschriften.
Die Universitäts- und Hansestadt Greifswald ist schon in einigen Bereichen aktiv und hat bereits signifikante Verbesserungen erzielt. Dazu ist insbesondere die Nachtabschaltung bzw. Reduktion der Beleuchtungsstärke von 20:15 bis 6:00 Uhr zu erwähnen. Auch werden weitere Aspekte wie Lichtfarbe und Lampenabschirmung an verschiedenen Stellen bereits berücksichtigt. Dieser Weg soll mit dieser Vorlage fortgeführt werden. Gerade bei ohnehin anstehenden Baumaßnahmen, aber auch aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung soll die Beleuchtungssituation genauer betrachtet werden. Oftmals lässt sich die Effektivität und Praktikabilität der vorgeschlagenen Maßnahmen nicht pauschal beurteilen. Daher ist die gesamte Vorlage als Prüfauftrag formuliert, der als Grundsatzbeschluss die Richtung vorgibt. Der Verwaltung soll ein Spielraum gelassen werden, um sich für den besten Weg entscheiden zu können. Da sich die Realisierbarkeit der einzelnen Unterpunkte unterscheidet, reichen sie von bloßen Anregungen bis hin zu unmittelbar anzustrebenden Maßnahmen.
1.
Die Lichtfarbe beeinflusst Menschen und Tiere. Ein hoher Blauanteil stört den menschlichen Tag-Nacht-Rhythmus und zieht Insekten an. Daher soll möglichst nur noch warmweißes Licht verwendet werden. Eine Reduktion der Beleuchtungsstärke ist für das menschliche Auge erst bei großen Faktoren wahrnehmbar.
Durch die (schon in Umsetzung befindliche) Umstellung auf LED-Technik können bis zu 50 %, durch Verwendung intelligenter Sensorik bis zu 90 % Energiekosten eingespart werden. Analyse- und Reporting-Tools sorgen für Transparenz und können zur Optimierung der gesamten städtischen Beleuchtung beitragen.
Zudem ist die Ausrichtung der Beleuchtung in den Blick zu nehmen. Lampen sollen nicht den Himmel bestrahlen, sondern den Raum, der tatsächlich auch benutzt wird. Um dies zu erreichen, sind abgeschirmte Leuchten Voraussetzung. Auch bei der Bestrahlung von Denkmälern und anderen Einrichtungen ist darauf zu achten, inwieweit durch die Ausrichtung der Beleuchtung bzw. den Einsatz von Blenden unnötige Lichtemissionen vermieden werden können.
2.
Der Beleuchtungsbedarf variiert stark je nach Uhrzeit. Eine kontinuierliche Beleuchtung ist am ehesten an Hauptverkehrsstraßen nötig. An anderen Orten kann sie ab einer bestimmten Uhrzeit reduziert oder ganz bzw. teilweise abgeschaltet werden. Dies wird in Greifswald schon praktiziert und hat schon zu erheblichen Energieeinsparungen geführt. Hier kann jedoch einerseits geprüft werden, inwieweit technische Optimierungen eingeführt werden können. Dabei können insbesondere intelligenten Beleuchtungssysteme helfen, den Bedarf zu analysieren und die Beleuchtung entsprechend anzupassen. Dies gilt insbesondere auch für städtische Anlagen wie Parks, Sport- und Parkplätze.
Andererseits sind über die praktizierten Schaltungen hinaus weitere Reduktionen möglich. Denkbar ist, dass in einigen Bereichen auch komplett auf eine nächtliche Beleuchtung verzichtet werden kann. Hierbei soll es um die Weiterführung des bisherigen Wegs gehen, bei dem verschiedene Belange zu berücksichtigen sind und sich insbesondere begrenzte Modellversuche anbieten (siehe 4. und 5.).
Die genauen Uhrzeiten stehen selbstverständlich zur Diskussion und können bedarfsgerecht angepasst werden. Wenn die Verwaltung beispielsweise für einen Ort zu dem Schluss kommt, dass die Beleuchtung von 20 bis 6 Uhr reduziert (wie es der bisherigen Praxis entspricht) und/oder ggf. von 1 bis 5 Uhr abgeschaltet werden soll, wäre dies auch im Sinne dieser Vorlage.
3.
Auch private Lichtemissionen tragen zu unnötiger Beleuchtung bei. Dies gilt speziell im gewerblichen Bereich. Insbesondere einzelne Werbeanlagen haben in Greifswald immer wieder für Diskussionen gesorgt. Einerseits ist es ein berichtigtes Interesse, durch Beleuchtung Aufmerksamkeit anzuziehen. Andererseits ist es schwer vermittelbar, warum dies in gleichem Maße auch außerhalb der Geschäftszeiten und insbesondere in den Nachtstunden gelten soll, wenn sowieso praktisch kein Publikum erreicht werden kann. Daher sollen Gespräche mit relevanten Akteur*innen gesucht werden. Dies kann mit der ohnehin geplanten Informations- und Beratungskampagne zur Energieeinsparung (Masterplan Klimaschutz, S. 146) verbunden werden.
Daneben gibt es auch Fälle, die im öffentlichen Interesse als schlicht inakzeptabel empfunden werden. Auch hier ist die Stadt bereits aktiv und hat etwa verbindliche Vorschriften für Werbeanlagen in verschiedenen Satzungen (Sondernutzungssatzung, Gestaltungssatzung, Bebauungsplänen (z.B. Nr. 22 Helmshäger Berg) erlassen. Dies soll mit besonderem Fokus auf die nächtliche Beleuchtung fortgeführt werden.
Gerade in diesem Bereich sollte ein Augenmerk darauf gerichtet werden, die Leuchtdichte zu begrenzen und damit Blendeffekte zu vermeiden. Diese werden oftmals durch falsch ausgerichtete LED-Strahler und hohe Blauanteile ausgelöst.
4.
Selbstverständlich hat die gesamte nächtliche Beleuchtung Auswirkungen auf eine Vielzahl an Betroffenen. Die einzelnen Interessen können weder von Bürgerschaft noch Verwaltung umfassend abgeschätzt werden. Daher ist in allen Bereichen darauf zu achten, mit allen relevanten Akteur*innen zu kooperieren, um die Beleuchtungssituation zu optimieren und für eine möglichst hohe Akzeptanz zu sorgen.
Dazu gehört natürlich ebenfalls, auf weitere, ggf. nachteilige Folgen Rücksicht zu nehmen. Zur Auswirkung nächtlicher Beleuchtung auf Verkehrssicherheit und Kriminalität gibt es verschiedene Studien mit teilweise widersprüchlichen Studien, so dass ein Zusammenhang nicht allgemein belegt ist. Deshalb sollte stets sorgfältig abgewogen und auch die Auswirkung auf das Sicherheitsgefühl berücksichtigt werden.
In Greifswald gibt es immer noch Orte, an denen die nächtliche Beleuchtung unzureichend ist. Die in dieser Vorlage angesprochenen Grundsätze und Maßnahmen zielen auf eine bedarfsgerechte Beleuchtung ab, die an verschiedenen Orten auch einen Ausbau der Beleuchtung bedeuten können. Dabei soll aber berücksichtigt werden, dass sie das nötige Maß nicht übersteigen soll.
5.
Gerade angesichts dessen, dass die Stadt bereits in vielen Bereichen aktiv ist, lässt sich erst nach einer Prüfung beurteilen, ob es sinnvoller ist, mit konkreten, leicht umsetzbaren Einzelmaßnahmen zu beginnen oder sie in einem Gesamtkonzept/Masterplan zusammenzufassen. Dies kann auch dahingehend abgestuft werden, dass zunächst in einem für eine Pilotphase besonders geeigneten Bereich Maßnahmen als Modellprojekt erprobt werden. Sowohl bzgl. der Konzeption als auch des Umfangs kann von Erfahrungen aus anderen Kommunen profitiert werden.
Es bietet sich auch an, für ein Gesamtprojekt oder einzelne Teile, die einen besonderen öffentlichen Nutzen (z.B. Klimaschutz, Erprobung moderner Technik) haben, die Einwerbung von Fördermitteln anzustreben. Schließlich ist es selbstverständlich, die ergriffenen Maßnahmen in angemessenen Abständen zu evaluieren.
Weiterführende Hinweise (Stand 14.02.2019):
https://biosphaerenreservat-rhoen.de/infoportal-fuer-kommunen-und-planer
https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_336.pdf