Beschlussvorlage der Verwaltung - 06/359

Reduzieren

Beratungsfolge

Reduzieren

Beschlussvorschlag

Die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt beauftragt den Oberbürgermeister geeignete Maßnahmen für die Etablierung eines Bürgerhaushaltes zu entwickeln und vorzuschlagen, im federführenden Ausschuss für Finanzen, Beteiligungen und Liegenschaften abzustimmen und über die weiteren Umsetzungsschritte regelmäßig zu berichten.

Reduzieren

Sachdarstellung

Bürgerschaftliches Engagement ist eine zentrale Grundlage lokaler Demokratie. Ohne das vielfältige, uneigennützige Engagement zahlloser Bürgerinnen und Bürger ist ein Gemeinwesen wie eine Kommune nicht vorstellbar. Die Unterschiedlichkeit des Engagements stellt aber wiederum die lokale Demokratie vor neue Herausforderungen. So ist seit einigen Jahren wenn nicht Jahrzehnten, die Tendenz festzustellen, dass kommunalpolitische Entscheidungen kritisch hinterfragt werden und der legitime Versuch unternommen wird, Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen. Dies kann beispielsweise durch Gründung von Bürgerinitiativen, verstärkten Kontakt zur Verwaltung bzw. zu politischen Parteien oder durch Hinweise an die Medienberichterstattung geschehen, weil diese Einflussnahmemöglichkeiten einen direkteren und unmittelbareren Erfolg zu versprechen scheinen.

 

Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass die räumliche Umgebung an sozialer Bedeutung verliert. Die Herausforderung besteht hier darin, zwischen überörtlichen Angeboten und dem Privatbereich – insbesondere in Zeiten zunehmender Bedeutung des Internets – den lokalen, räumlichen Bezug dauerhaft zu erhalten und möglichst noch zu stärken.

 


 


Um den oben genannten Herausforderungen zu begegnen, kann sich das Instrument des Bürgerhaushalts anbieten. Die Gründe, die für die Einführung eines idealtypischen Bürgerhaushalts sprechen, sind zahlreich, darunter

 

- mehr Akzeptanz für die Haushaltslage und den Haushalt an sich bei besser abgestimmten Prioritäten,

 

- eine Aktivierung von Bürgerinnen- und Bürgerengagement

 

- eine höhere Effizienz des Verwaltungshandelns durch Einbeziehung von Bürgerinnen- und Bürgerwissen,

 

- ein stärkeres Kostenbewusstsein bei allen Beteiligten und letztlich auch

 

- die Förderung der Demokratie.

 

 

Auch heute schon stehen Bürgerinnen und Bürgern verschiedene Beteiligungsrechte zu. Dazu gehören das Unterrichtungsrecht, Anregungen und Beschwerden, Fragestunden für Einwohnerinnen und Einwohner, Einwohneranträge, Bürgerbegehren / Bürgerentscheide und die Bürgerbeteiligung bei der Stadtplanung  und Beteiligungsmöglichkeiten nach verschiedenen Fachgesetzen.

 

Trotz dieses insgesamt recht umfangreichen Instrumentariums lässt sich grundsätzlich für die kommunale Ebene feststellen, dass viele Bürgerinnen und Bürger ihre Beteiligungsrechte (oder bestehende Fristen) nicht kennen oder nicht in Anspruch nehmen möchten. Auch diese Erkenntnis stützt die Idee, neue Formen der Bürgerbeteiligung zu prüfen.

 

In einem ersten Schritt sollten die Bürgerinnen und Bürger in verständlicher Form über den Haushalt informiert werden. Die Ergebnisse sollten in verschiedenen, jeweils geeigneten Formaten präsentiert werden (z. B. im Internet, als Printprodukt oder als Informationsveranstaltung).

 

In einem zweiten Schritt sollten geeignete Wege zu einer stärkeren Bürgerbeteiligung (Meinungsäußerungen, Vorschläge, Anregungen) im Rahmen des Haushaltsberatungsverfahrens vorgesehen werden. Die Bürgerbeteiligung sollte dabei über verschiedene Wege (Internet, im Rahmen von Veranstaltungen, schriftlich) erfolgen können. Die Hinweise, Anregungen und Vorschläge sollten anschließend an die Fraktionen weitergeleitet werden.

 

Nach Verabschiedung des Haushalts sollte den Bürgerinnen und Bürgern dokumentiert werden, welche der einzelnen Vorschläge aufgegriffen worden sind.


 

Bausteine“ eines Bürgerhaushalts

 

Wenn stärkere Bürgerbeteiligungsformen erfolgreich sein sollen, müssen drei Anforderungen an den Beteiligungsprozess gestellt werden: Erstens muss der Prozess ergebnisoffen sein, d. h., es darf keine wesentlichen Vorfestlegungen (beispielsweise durch Verwaltung oder Politik) geben.

 

Zweitens muss der Prozess möglichst frühzeitig begonnen werden, um Einflussnahmemöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger offen zu halten. Drittens müssen die Einflussmöglichkeiten aller am Prozess Beteiligten (und vom Ergebnis Betroffenen) fair ausgestaltet sein. Insgesamt darf jedoch nicht aus dem Blick geraten,dass es sich weiterhin um Beteiligungsprozesse, nicht jedoch um das Treffen von Entscheidungen handelt. Dies bleibt weiterhin das Primat der gewählten Bürgerschaftsmitglieder.

 

Zum weiteren Vorgehen stellt sich die Verwaltung einen Beteiligungsprozess vor, der aus den drei Säulen Information, Konsultation / Kooperation und Rechenschaft aufgebaut ist.

 

Geeignete Informationen stellen eine wesentliche Voraussetzung für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess dar. Grundsätzlich kann der Zugang zu Informationen aktiv oder passiv gestaltet werden. Passiv bedeutet, dass den Bürgerinnen und Bürgern auf Nachfragen Informationen geliefert werden, während der aktive Zugang auf der Informationsverbreitung in Eigeninitiative durch die Verwaltung erfolgt. Die Verwaltung wird sich zukünftig vorrangig um eine aktive Informationsverbreitung bemühen müssen.

 

Bei einer reinen Konsultation im Sinne von Befragung werden die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung bzw. die entwickelten Vorschläge von der Verwaltung – und nicht von den Bürgerinnen und Bürgern selbst – zusammengefasst, kommentiert und der Politik zur weiteren Beratung zur Verfügung gestellt. Die Kooperation geht dagegen einen Schritt weiter: Hier wird eine Gewichtung / Schwerpunktsetzung bei den Vorschlägen, Anregungen und Hinweisen durch die Bürgerinnen und Bürger selbst vorgenommen. Selbstverständlich kann dies nur in einem vorher abgestimmten und akzeptierten Verfahren ablaufen. Die letzte Säule, die ein Bürgerhaushalt leisten muss, besteht darin, Rechenschaft abzulegen darüber, welche Vorschläge, Anregungen und Hinweise in den parlamentarischen Gremien eine Mehrheit gefunden haben oder aber nicht aufgegriffen wurden.

 

Der Bürgerbeteiligungsprozess im Rahmen des Haushaltsverfahrens muss letztlich in mehreren Stufen erfolgen, die nachfolgend beispielhaft und idealtypisch dargestellt sind:

 

Stufe 1: Mobilisierung von Bürgerschaft, Politik und Verwaltung

Stufe 2: Informationen zum und über den Haushalt

Stufe 3: Entwicklung von Vorschlägen durch Bürgerinnen und Bürger

Stufe 4: Beratung der Vorschläge / Festlegung von Empfehlungen

Stufe 5: Übergabe der Empfehlungen an die Politik

Stufe 6: Rechenschaft über die Umsetzung der Vorschläge

Stufe 7: Bewertung / Evaluation des Verfahrens.

 

Mit der Einführung eines Bürgerhaushalts sind auch Kosten verbunden, insbesondere bei Hinzuziehung eines externen Moderators und technischer Unterstützungsmaßnahmen. Diese Kosten müssten im weiteren Prozess näher eruiert werden.

 

Loading...

Beschlüsse

Erweitern

22.06.2015 - Ausschuss für Finanzen, Liegenschaften und Beteiligungen

Erweitern

06.07.2015 - Hauptausschuss (HA) - auf TO der BS gesetzt

Erweitern

20.07.2015 - Bürgerschaft (BS) - mehrheitlich

Erweitern

11.01.2016 - Ausschuss für Finanzen, Liegenschaften und Beteiligungen

Online-Version dieser Seite: https://greifswald.sitzung-mv.de/public/vo020?TOLFDNR=44729&VOLFDNR=3729&VOLFDNR=3729&selfaction=print