Beschlussvorlage der Verwaltung - 06/737

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

  1. Die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald beschließt die anliegende 2. Änderungssatzung zur Satzung über die Erhebung von Beiträgen für den Bau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenbaubeitragssatzung).
  2. Die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald bestätigt die in § 5 Abs. 2 Nr. 3 S. 1 Straßenbaubeitragssatzung enthaltene Tiefenbegrenzung von 50 m sowie die in § 5 Abs. 2 Nr. 3 S. 4 Straßenbaubeitragssatzung enthaltene Tiefenbegrenzung von 100 m.
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Sachdarstellung

Die Satzung der Universitäts- und Hansestadt Greifswald über die Erhebung von Beiträgen für den Bau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenbaubeitragssatzung)  in der Fassung der 1. Änderung vom 10.12.2012 - ist der aktuellen Rechtsprechung anzupassen.

Zu 1.-  2. Änderungssatzung

 

Artikel I - Änderung des § 5 Abs. 5 Buchstabe a der Satzung

Die in § 5 Abs. 5 Buchstabe a Straßenbaubeitragssatzung getroffene Maßstabsregelung ist rechtswidrig. Dort heißt es:

 

Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Art der Nutzung wird die nach den vorgehenden Absätzen ermittelte Fläche vervielfacht mit:

a) 1,25, wenn das Grundstück in einem tatsächlich bestehenden Wohngebietes (§ 34 Abs. 2 BauGB) oder durch Bebauungsplan ausgewiesenen Wohngebietes (§§ 3,4 und 4a Baunutzungsverordnung – BauNVO), Dorfgebietes (§5 BauNVO) oder Mischgebietes (§ 6 BauNVO) oder ohne entsprechende Gebietsfestsetzung innerhalb eines Bebauungsplangebietes gewerblich oder in einer der gewerblichen Nutzung ähnlicher Weise (z.B. Verwaltungs-, Schul-, Post- oder Bahnhofgebäudes, Parkhaus, Praxen für freie Berufe, Museen) genutzt wird.“

 

Mit dem sogenannten Artzuschlag soll ein Vorteil abgeschöpft werden, der aus dem durch eine gewerbliche Nutzung ausgelösten typischen Ziel- und Quellverkehr resultiert und der gegenüber einer Wohnnutzung größer ist. Die unterschiedlichen Vorteile sind bei der Beitragserhebung zu berücksichtigen (§ 7 Abs. 1 S. 3 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern -  im Folgenden: KAG M-V). Wegen des Wortlautes der geltenden Satzung kann ein Artzuschlag jedoch nur für gewerbliche Nutzungen im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch (im Folgenden: BauGB) erhoben werden. Ob aber eine gewerbliche Nutzung in einem faktischen Baugebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB oder im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 BauGB erfolgt, unterscheidet sich im Hinblick auf die vermittelten Vorteile regelmäßig nicht. Ohne sachliche Rechtfertigung verstößt eine solche Differenzierung jedoch gegen das Vorteilsprinzip und den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (VG Greifswald, Urteil vom 02.04.2015, 3 A 196/14 ebenso Beschluss vom 28.08.2015, 3 B 522/15).

 

Infolge der Unwirksamkeit der Regelung fehlt es an der nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V erforderlichen Maßstabsregelung und es ist notwendig den § 5 Abs. 5 Buchstabe a) entsprechend anzupassen.

 

Artikel II - Rückwirkung der Satzung

Die rechtmäßige Erhebung von Straßenbaubeiträgen setzt eine wirksame Satzung zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht voraus. Der Regelungsinhalt der 2. Änderungssatzung wird rückwirkend zum 01.01.2016 in Kraft gesetzt. Die Stadt hat in der Vergangenheit Straßenbaumaßnahmen durchgeführt und diese entsprechend den Regelungen des KAG M-V abgerechnet. Einzelne Beitragsbescheide sind noch nicht rechtskräftig. Zur Durchsetzung der Beitragsansprüche ist die Rückwirkung erforderlich. Erfasst werden damit alle Beitragsansprüche, bei denen noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

 

Die Rückwirkung ist zulässig, da die rechtswidrige Regelung in der Satzung durch eine wirksame ersetzt werden soll. Die Rückwirkung ist vor dem Hintergrund der Beitragserhebungspflicht für laufende Widerspruchsverfahren sowie daran anschließende Gerichtsverfahren auch notwendig.

 

Zu 2. - Bestätigung der Tiefenbegrenzung

Mit dem Beschluss zu 2. wird die bisherige Tiefenbegrenzung von 50 m in § 5 Abs. 2 Nr. 3 S. 1 Straßenbaubeitragssatzung bestätigt. Wie der Artzuschlag dient die Tiefenbegrenzung der Berücksichtigung der mit dem Straßenausbau vermittelten Vorteile. Für ihre Festsetzung gelten dieselben Anforderungen wie an die Abwasserbeitragssatzung (VG Greifswald, Urteil vom 02.04.2015, Az.: 3 A 196/14). Die Tiefenbegrenzung muss sich somit als ortsangemessen darstellen. Das ortsgesetzgeberische Ermessen bei der Festsetzung der Tiefenbegrenzung ist auf der Grundlage einer sorgfältigen und willkürfreien Ermittlung der örtlichen Verhältnisse auszuüben. Zulässig ist eine auf repräsentativ ausgewählte Ortslagen gestützte Ermittlung (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 10.10.2012, Az.: 1 L 286/11).

 

Das Stadtgebiet umfasst 73 Fluren. Für 38 Referenzflure wurde die tatsächliche Bebauungstiefe für die dort befindlichen einzelnen Grundstücke nach Stückzahl erfasst (Anlage 1, Tabelle 1). Die Erfassung erfolgte anhand von 5-m-Schritten, wobei bereits eine bauakzessorische Nutzung von 10 m (Terrasse, Garten, etc.) berücksichtigt wurde. Die auf diese Weise untersuchten Fluren haben insgesamt eine Fläche von 6.947.434 m2.

 

Die Fluren wurden ausgewählt, weil sie die in der Stadt typische Siedlungsstruktur wiedergeben. So ist der Innenstadtkern (Fluren 25 und 35) durch viele kleinflächige Grundstücke mit einer verdichteten, mehrgeschossigen Bebauung unmittelbar entlang der Straßen geprägt. Die Verdichtung lässt z.B. entlang der Wolgaster Straße und Schönwalde nach. Dort wird die Bebauung großzügiger, in gleichem Maße gewinnt dort auch die Grüngestaltung an Umfang. Dieser Prozess setzt sich in noch stärkerem Umfang in der Stadtrand- und Obstbausiedlung fort, wo die Grundstücke einen starken Grünanteil für Vor- und Nutzgärten aufweisen und die bebaute Fläche (Einfamilienhäuser) abnimmt. Die Bauten befinden sich typischerweise zurückgesetzt und nicht unmittelbar an der Straße, so dass die Bebauungstiefe insgesamt zunimmt. In den Sonder- und Gewerbegebieten sind die Grundstücke ihrer Nutzung entsprechend großzügig geschnitten und mit einer entsprechend großflächigen Bebauung (Lager-, Fertigungs- und Montagehallen, Universitäts-Gebäude, Einkaufszentrum) versehen, die nicht unmittelbar an der Straße beginnen und sich weit in die Tiefe erstrecken. Die Charakteristik der untersuchten Fluren wurde in Anlage 2, Spalte 1 erläutert. Die Schwerpunkte der ermittelten Bautiefen sind in Spalte 3 wiedergegeben.

 

Den untersuchten Referenzfluren wurden alsdann vergleichbare Flure zugeordnet. Die Gründe für die Zuordnung enthält Anlage 2, Spalte 2. Auf diese Flure wurden die ermittelten Bebauungstiefen ihrer jeweiligen Referenzflure in prozentualer Hinsicht übertragen. Anlage 1, Tabelle 2 weist abschließend die prozentuale Verteilung der Bebauungstiefen für die übertragenen und Referenzflure gemeinsam aus.

 

Aus der Anlage 1, Tabelle 2 ergibt sich, dass im Stadtgebiet am häufigsten Grundstücke mit einer Bebauungstiefe von 25 m (23,64%) anzutreffen sind, gefolgt von Grundstücken mit einer Bebauungstiefe von 30 m (19,49 %). Gleichwohl soll aus folgenden Erwägungen die ortsübliche Bebauungstiefe bei 50 m angenommen und die Tiefenbegrenzung entsprechend bestätigt werden.

 

Die Tiefenbegrenzung muss sich an den örtlichen Verhältnissen, also der ortsüblichen Bebauungstiefe orientieren. Ortsüblich ist dabei im Sinne von: „normal, geläufig, verbreitet oder in der Mehrzahl der ermittelten Fälle anzutreffen“ zu verstehen. Das entspricht der Grenze, über die hinaus eine bauliche Nutzung in der Regel nicht mehr stattfindet. Diese Grenze lässt sich weder arithmetisch ermitteln, noch ist zwingend an die am stärksten vertretene Bebauungstiefe anzuknüpfen. Vielmehr kann nach der Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern eine zahlenmäßig ausreichend große Korridorgruppe von Grundstücken, deren Bebauungstiefe bis zum festgesetzten Wert endet (also z.B. von 20 m bis 50 m), maßgeblich sein. Voraussetzung ist dabei die Aufrechterhaltung des Regel-Ausnahme-Charakters.

 

Bei einer Tiefenbegrenzung von 50 m bestätigen immerhin ca. 86 % der Grundstücke die Regel, dass eine Bebauung darüber hinaus nicht erfolgt, während die verbleibenden nur 14% den Ausnahmecharakter aufrechterhalten. Würde man hingegen auf 30 m abstellen, stiege der Anteil der von der Ausnahme betroffenen Grundstücke auf fast 40%, bei 25 m läge er bei schon ca. 58,9%, was den Ausnahmecharakter in Frage stellen bzw. umkehren würde.

 

Hinzu tritt, dass der für die Abgrenzung des Innen- vom Außenbereich maßgebliche Bebauungszusammenhang nicht zwangsläufig mit der Außenwand der letzten Bebauung endet. Zwar sind bei der Erfassung der Bebauungstiefen pauschal auch 10 m für eine bauakzessorische Nutzung (Hausgarten, Terrasse, etc.) beachtet worden. Wegen dieser nur pauschalen Betrachtung und weil gerade auch topographische Verhältnisse etc. für die Abgrenzung eine Rolle spielen und bei der Ermittlung außer Betracht bleiben mussten, sollte die Tiefenbegrenzung von  50 m beibehalten werden. Bei unbebauten Grundstücken, auf denen eine Hinterbebauung  (2. Baureihe) zulässig ist, wird die doppelte Fläche berücksichtigt und eine Tiefenbegrenzung von 100 m zu Grund gelegt.

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Beschlüsse

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19.09.2016 - Ausschuss für Finanzen, Liegenschaften und Beteiligungen

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20.09.2016 - Ausschuss für Bauwesen, Umwelt, Infrastruktur und öffentliche Ordnung

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27.09.2016 - Hauptausschuss (HA) - auf TO der BS gesetzt

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06.10.2016 - Bürgerschaft (BS) - mehrheitlich